Herkunft von langer Hafer
[F] Im Bekanntenkreis wurde kürzlich die Redewendung vom langen Hafer benutzt, aber keiner von uns konnte sie erläutern. Wir einigten uns schließlich darauf, dass zu unserer Kindheit langer Hafer nichts Gutes bedeutete. Je nach Verfehlung kam die Gardinenpredigt oder es setzte Hiebe. Der Ursprung dieser Redewendung ist uns aber allen nicht klar. Können Sie uns bei der Deutung helfen?
[A] Der Ausdruck langer Hafer war uns bislang unbekannt, wir konnten ihn aber anhand unserer Dialektwörterbücher auffinden. Die Bezeichnung ist alt, sie kommt aus dem Umkreis der Kutscher bzw. der Bauern und bezieht sich als bildliche Redewendung auf den Hafer, das Hauptfutter der Pferde. Die Sprache deutet oft um, und so kann man dem Pferd »Hafer geben« oder »langen Hafer geben« – man schlägt es mit der Peitsche (als Spott: »da hast du deinen Hafer!«).
Im Rheinischen, Südhessischen und Kölnischen Wörterbuch finden sich entsprechende Einträge, und das Südhessische fügt noch hinzu, dass eine Peitschentreibschnur den Namen langer Hafer habe. Heinz Küpper (Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache) meint, der Lange Hafer – bekannt aus dem 19. Jahrhundert – sei eigentlich die Bezeichnung der »Peitsche im Zusammenhang mit störrischen Pferden«. Das Element lang wäre unter diesem Aspekt erklärlich: Ausdruck für die Länge des Peitschenstiels bzw. der Schnur. Küpper erwähnt auch, dass die fragliche Redewendung gebraucht wurde im Sinne von ›jemanden im Dienst schikanieren‹ (heute spricht man von Mobbing). Hierzu stimmen nun Ihre Kindheitserinnerungen.
Dass langer Hafer heute anders verwendet wird, etwa in der Sportsprache – und es gibt ja wohl auch (laut Internet) einen Sportverein des Namens -, ist eine nette und aufschlussreiche Tatsache. Vielleicht liegt hier eine weitere Umdeutung vor – das Negative wird sozusagen durch Anspielung überwunden. Die Sprache ist ja unendlich reich an Möglichkeiten und bietet für Varianten und Parodien aller Art genug Raum.