Grammatikalität von meines Wissens nach
[F] Die Formulierung meines Wissens nach fällt mir immer wieder auf. Sie ist doch nicht korrekt, das heißt, da liegt sozusagen eine Verdoppelung vor. Der Genitiv meines Wissens genügt doch wohl?
[A] Wir stimmen Ihnen zu. Hier ist ein grammatischer Lapsus eingetreten, der übrigens schon öfter beobachtet und kritisiert worden ist. So weist die Dudenredaktion in ihrem Band 9: Richtiges und gutes Deutsch seit Jahren darauf hin; A. J. Storfer hat bereits 1935 in seinem Sammelband Wörter und ihre Schicksale erwähnt, dass die analoge Wendung meines Erachtens nach 1904 »einem preußischen Minister im Abgeordnetenhaus« mehrmals entschlüpft sei. Storfer stellt sogar einen Zusammenhang her zu »immer wiederkehrenden« stilistischen Nachlässigkeiten bzw. grammatischen Verstößen. Vieles, was uns heute auffällt, ist so neu nicht. Außerdem kann man wieder einmal beobachten, dass manches, was der Regel nach falsch ist, sich behauptet.
Beispiele für diese »grammatische Kollision« gibt es in Hülle und Fülle; das Internet ist voll davon (besonders was Foren betrifft), doch auch in seriösen Texten – so z. B. in einem Bundestagsprotokoll – kommt meines Wissens nach vor.
Der (modale) Genitiv meines, unseres Wissens ist schon sehr lange im Deutschen üblich, andererseits kennen wir die Fügungen nach meinem Wissen, nach bestem Wissen und Gewissen sowie meiner Erinnerung nach, meiner Meinung nach, meinem Gefühl nach und (heute seltener) nach meinem Dafürhalten. Es kommt allem Anschein nach zu einer – irrtümlichen, versehentlichen – Vermischung beider Wendungen. Eine Verständnishürde ergibt sich dabei nicht – eher könnte man von einer Ausdrucksverstärkung sprechen.