Juli 2022
Tagung »Stadtsprachenforschung. Aktuelle Entwicklungen und Tendenzen« am 27./28. Mai 2022 in Hannover
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im DFG-Projekt »Die Stadtsprache Hannovers« veranstalteten in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Peter Schlobinski (Vorsitzender der GfdS) am Freitag, dem 27. Mai und Samstag, dem 28. Mai 2022 die Tagung »Stadtsprachenforschung. Aktuelle Entwicklungen und Tendenzen«. Im obersten Stock der früheren Continental-Zentrale am Königsworther Platz (»Conti-Hochhaus“) in Hannover mit Blick über die niedersächsische Hauptstadt wurden in neun erkenntnisreichen Vorträgen und einer abschließenden Diskussionsrunde zahlreiche Facetten einer modernen Stadtsprachenforschung, deren aktueller Stand und zukünftige Perspektiven vorgestellt und erörtert.
Am ersten Tagungstag (Freitag, der 27. Mai) stellte Dr. François Conrad, Projektleiter des DFG-Projekts, nach einem Grußwort des Dekans der Philosophischen Fakultät, Prof. Dr. Marian Döhler, den Stand des spannenden Stadtsprachenprojekts über die deutschlandweit bekannte Annahme eines »besten/reinsten Hochdeutsch« in Hannover (siehe die über die GfdS herausgegebene Broschüre) vor. Prof. Dr. Peter Schlobinski (Hannover/Wiesbaden) sowie Prof. Dr. Matthias Schulz (Würzburg) eröffneten die Vortragsreihe durch einen Beitrag zur Bedeutung der Stadtsprachenforschung in der Variationslinguistik beziehungsweise über die Geschichte des Forschungsbereichs. Im zweiten Block (»Dynamik und vertikale Variation im Urbanen«) stellte Hana Ikenaga (Hannover) in ihrem Beitrag »›Ich kann nichts Anderes als Hochdeutsch‹ – Sprachliche Variation in Hannover« erste Ergebnisse in Bezug auf die Aussprachevariation von Hannoveranerinnen und Hannoveranern vor – und legte offen, dass auch das Hochdeutsch in der niedersächsischen Landeshauptstadt nicht »rein« im Sinne von deckungsgleich mit der kodifizierten Standardaussprache ist. Im Anschluss weitete Prof. Dr. Michael Elmentaler die Perspektive auf den norddeutschen Raum aus und besprach »Standard – Regiolekt – Dialekt aus norddeutscher (Stadt-)Perspektive« mit Bezug zum Projekt »Sprachvariation in Norddeutschland (SiN)«. Den ersten Vortragstag schloss Dr. Elisabeth Wellner (Regensburg) mit ihrem Beitrag »›Dialekt‹ – ›Regensburgerisch‹ – ›Schriftdeutsch‹ – die Regensburger Stadtsprache« ab, der die Tagung um eine süddeutsche Perspektive bereicherte. Nach einem historischen Exkurs mit Blick auf die Stadt durch Prof. Dr. em. Carl-Hans Hauptmeyer und einer anschließenden kleinen Stadtführung trafen sich die Teilnehmenden in der Altstadt beim »Broyhan Haus« für ein geselliges Abendessen.
Den zweiten Tagungstag (Samstag, der 28. Mai) eröffnete im dritten Block (»Stadtsprache in Wahrnehmung ihrer Benutzer/-innen«) Stefan Ehrlich (Hannover) mit dem Beitrag »›Denn wir in Hannover ßprechen das raanste Deutsch‹ – Der hannoversche Sprachgebrauch aus subjektiver Perspektive«, der exemplarisch Meinungen, Wissen und Einstellungen der Hannoveranerinnen und Hannoveraner bezüglich der Sprache in Hannover vorstellte. Es folgte der Beitrag von Prof. Dr. Ingrid Schröder (Hamburg), der unter dem Titel »›n büschen breit, nä.‹ Wahrnehmung und Bewertung des Hamburgischen« den Fokus auf eine weitere norddeutsche Großstadt lenkte. Den Abschluss dieses Vortragsblocks bildete der Beitrag von Dr. Melanie Würth (Bern) mit dem Titel »De ›chetos‹ y ›wachiturros‹: Konstruktion räumlicher Identitäten und Grenzen durch Sprachgebrauch in der Stadt Buenos Aires«, der anschaulich den Bogen in die romanistische bzw. hispanistische (Stadtsprachen-)Forschung spannte. Im letzten Vortragsblock (»Stadtsprachen im Vergleich«) stellte Dr. François Conrad (Hannover) in dem Beitrag »Die Stadtsprache norddeutscher (Klein-)Städte im Vergleich – ein Überblick« die Ergebnisse mehrerer studentischer Abschlussarbeiten vor, die ihre jeweilige norddeutsche Heimatstadt in Bezug auf deren sprachliche Gewohnheiten untersuchten und damit für das Projekt »Die Stadtsprache Hannovers« wertvolle Vergleichsstudien mit umliegenden Städten liefern.
Abgerundet wurde die Tagung durch eine anregende Diskussionsrunde zum Thema »Stadtsprachenforschung – Quo vadis?«, bei der der Blick sowohl nach hinten bzw. zum aktuellen Stand als auch und insbesondere in die Zukunft gerichtet wurde. Die Teilnehmenden sind sich einig, dass die Stadtsprachenforschung noch vielfältige Ergebnisse verspricht und wieder intensiver in den Fokus der sprachwissenschaftlichen Forschung rücken darf und rücken sollte. Bei Getränken und Snacks konnte die erfolgreiche Tagung, die dem Forschungsbereich wertvolle Impulse lieferte, in geselliger Atmosphäre ausklingen.
Weitere Informationen zum Projekt »Die Stadtsprache Hannovers« finden sich bei Interesse unter www.stadtsprache-hannover.de. Eine Veröffentlichung der Beiträge erfolgt 2023 in der GfdS-Zeitschrift Muttersprache.
François Conrad