Ausgabe: Der Sprachdienst 6/2013

Das Verb tebartzen

[F] Ich habe in Bezug auf die aktuelle Debatte um den Bischof Tebartz-van Elst das Wort tebartzen gelesen. Gibt es das?

[A] Sie haben Recht, dass in letzter Zeit das Verb tebartzen vor allem im Internet in Blogs und auf Plattformen wie Facebook und Twitter kursiert.

In einem Online-Artikel auf jetzt.de, dem jungen Online-Magazin der Süddeutschen Zeitung, fordert der Autor Stefan Winter sogar ein elftes Gebot: »Du sollst nicht tebartzen!« Das Verb tebartzen ist vom Familiennamen des Bischofs Tebartz-van Elst abgeleitet und steht hier für den ›Vorgang des hemmungslosen Prassens und Protzens‹.

Der deutsche Wortschatz ist voll von Metonymien und Metaphern, die sich ursprünglich aus Eigennamen entwickelt haben. Es handelt sich dabei um ein sprachliches Prinzip, das schon seit der Antike Anwendung findet. Viele dieser so entstandenen Wörter verwenden wir heute ganz selbstverständlich, ohne über ihre Herkunft oder Entstehung weiter nachzudenken. Das Verb lynchen beispielsweise entwickelte sich ebenfalls aus einem Eigennamen. Es ist aus dem Englisch-Amerikanischen to lynch (lynch law) entlehnt (vgl. Duden »Die deutsche Rechtschreibung«, 26. Aufl., Berlin u. a. 2013) und geht wahrscheinlich auf den amerikanischen Friedensrichter Charles Lynch (1736–1796) zurück, der willkürlich Recht gesprochen hat. Allerdings ist es auch möglich, dass Captain William Lynch (1742–1820) aus Virginia oder der irische Bürgermeister von Galway, James Lynch (15. Jh.), die Namensgeber für dieses Verb waren (vgl. Rudolf Köster, »Eigennamen im deutschen Wortschatz. Ein Lexikon«, Berlin/New York 2003). Eines ist jedoch sicher: Alle drei haben jemanden ohne ein Gerichtsurteil für ein reales oder angenommenes Verbrechen misshandelt oder getötet. Aus diesem Verhalten heraus entstand das Verb lynchen.

Auch heute entstehen neue Wörter, vor allem Verben, infolge des Handelns öffentlicher Personen. Diese existieren jedoch meist nur so lang, wie auch über den jeweiligen Skandal berichtet wird. Im Jahr 2011 verbreitete sich das Verb guttenbergen für ›abschreiben, abkupfern, plagiieren‹ infolge der Plagiatsaffäre um Karl-Theodor zu Guttenberg sehr rasch. Am Ende des Jahres wurde es sogar auf Platz sieben der Wörter des Jahres (vgl. Frauke Rüdebusch, »Wörter des Jahres 2011«, in: Der Sprachdienst 1/2012) und auf Platz 3 der vom Langenscheidt Verlag ermittelten Jugendwörter des Jahres gewählt. Dennoch hielt guttenbergen bis heute keinen Einzug in den Duden. Anders erging es dem Verb riestern, welches auf Walter Riester zurückgeht und umgangssprachlich für das Ansparen einer Riester-Rente verwendet wird (vgl. Duden »Die deutsche Rechtschreibung«, 26. Aufl., Berlin u. a. 2013). Auch das Verb hartzen findet sich in der aktuellen Ausgabe des Dudens wieder. Es ist in Anlehnung an das nach Peter Hartz benannte Reformprogramm Hartz IV entstanden. Hartz IV wurde am Anfang des Jahres 2005 zum »Wort des Jahres 2004« gewählt und hat sich schnell in Form verschiedenster Varianten verbreitet (vgl. Lutz Kuntzsch, »Wörter des Jahres 2004«, in: Der Sprachdienst 1/2005). Das Verb hartzen ist eine davon und steht umgangssprachlich dafür, von den zur Verfügung gestellten Hartz IV-Geldern zu leben. Kriterium für die Aufnahme eines Wortes in den Duden ist vor allem seine allgemeine Gebräuchlichkeit. Wenn das Verb tebartzen auch nach dem medialen Aufruhr noch Verwendung findet, kann es durchaus dazu kommen, dass es ebenfalls in den allgemeinen Sprachgebrauch übergeht und in den Duden aufgenommen wird.