Was ist der Unterschied zwischen Vaterland und Mutterland?
[F] Wieso gibt es die beiden Bezeichnungen Vaterland und Mutterland, obwohl sie doch fast das Gleiche bedeuten?
[A] Vaterland bezeichnet das Land, aus dem man stammt, zu dessen Volk, Nation man gehört, dem man sich zugehörig fühlt; Land als Heimat eines Volkes: unser V.; das deutsche V.; das V. der Franzosen (vgl. Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2007). Vaterland existiert im Deutschen schon sehr lang: die althochdeutsche (750–1050) Form faterlant belegt dies (vgl. Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, Wolfgang Pfeifer (Hg.), Berlin 1993).
Mutterland hingegen steht für ein Land, in dem etwas heimisch ist, seinen Ursprung hat und eine weite Verbreitung gefunden hat: England, das M. des Parlamentarismus (vgl. Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2007). Als Mutterland wird das auch das Land bezeichnet, zu dem eine Abhängigkeit oder Zugehörigkeit eines Gebiets bei räumlicher Trennung besteht (»Das Vereinigte Königreich England ist das Mutterland seiner Kolonie, der Falklandinseln«, vgl. de.wikipedia.org/wiki/Mutterland). Die Bedeutung ›Land, in dem die Mutter wohnt oder gewohnt hat, Geburtsland‹ findet sich nur im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm (Leipzig 1854 ff.). Wann Mutterland sich im deutschen Sprachgebrauch eingebürgert hat, lässt sich nicht abschließend klären, zumindest in Johann Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart (Wien 1807 ff.) ist der Ausdruck bereits verzeichnet.
Die Muttersprache in der Bedeutung ›die Sprache, in die ein Mensch hineingeboren wird und in der er aufwächst‹ dagegen ist eine Übernahme des mittelniederdeutschen Ausdrucks mōdersprāke, der sich Anfang des 16. Jahrhunderts im Hochdeutschen etabliert hat. Um 1400 ist bereits der Ausdruck moder tunge, also in etwa ›Mutterzunge‹, überliefert. Dies ist wahrscheinlich eine Lehnübersetzung zu den mittellateinischen Ausdrücken lingua materna, lingua maternalis, vgl. Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, Wolfgang Pfeifer (Hg.), Berlin 1993.
Mutterland und Vaterland sind also als Analogiebildungen zu sehen, syntaktisch vergleichbar, semantisch aber gehen sie sehr weit auseinander.