Verbindung unerwünscht
Sommerzeit! Wer denkt da nicht ans Mittelmeer? Wenn Sie noch keine Reise gebucht haben, aber noch einen Sommerurlaub planen, sollten Sie nicht zu den Schwarzsehern (politisch unzweifelhaft: Skeptikern) gehören, sondern optimistisch sein. Beim erweiterten Schwarz-Weiß-Seher wird in der Regel nicht auf Zuschauer alter Filme verwiesen, sondern auf Menschen mit einer wenig bis undifferenzierten Sichtweise. Üblicherweise handelt es sich bei mit Bindestrichen verbundenen Adjektiven allerdings um ein Sowohl-als-auch: Die Adjektivkomposita süß-sauer und rot-weiß etwa verweisen bei Speisen darauf, dass sie ebenso süß wie sauer bzw. sowohl rot als auch weiß sind (so bei Pommes frites mit Ketchup und Mayo). Für eine freundschaftlich- entspannte Atmosphäre, die vertraut und zwanglos ist, gilt dies ebenso wie für eine deutsch-schweizerische Familie, deren Mitglieder aus Deutschland und der Schweiz stammen. Doch welche Herkunft hat das Nationalgericht der im letzten Heft behandelten Ćevapčići?
Die sich hier auftuende Fallgrube geht auf politische Zustände zurück: die postjugoslawische Zeit. Wer zu serbokroatisch greift, kann sich eines Grubensturzes sicher sein, weil damit eine (ehemalige?) Sprachgemeinschaft bezeichnet – und hier unabhängigkeitsbetonend nun eher von Bosnisch, Kroatisch, Serbisch etc. gesprochen – wird, die es politisch seit 1991 nicht mehr gibt. Ein Bindestrich in serbo-kroatisch würde nur optisch die gewünschte Grenze ziehen, denn das auslautende -o könnte als Unterordnung statt Nebenordnung gedeutet werden, weshalb es für die traditionelle Sprachklassifikation neben Serbokroatisch nun auch Kroatoserbisch gibt. Damit sollte serbisch-kroatisch der Vorzug gegeben werden; politisch entspannend wäre eine vollständige Aufhebung der Wortverbindung: Ćevapčići sind eine kroatische und serbische Spezialität (alphabetisch gereiht).
Wer dies abtun möchte, sollte sich im deutschen Sprachraum umschauen. Auch hier gibt es ein sprachliches Unabhängigkeitsbestreben: Deutsch werde in Deutschland gesprochen, in Österreich hingegen Österreichisch, sagen einige Österreicherinnen und Österreicher (zum österreichischen Deutsch s. S. 98); beim westlichen Nachbarland ist Deutsch (Schweizer Hochdeutsch) zwar Amtssprache, doch sind die alemannischen Dialekte des Schweizerdeutschen die durchweg gebrauchten Varietäten – auch schriftlich; Luxemburgisch schließlich wurde vom Ausbaudialekt (eine moselfränkische Varietät) mit eigener Orthografie 1984 zur Nationalsprache erklärt, womit es rechtlich nicht mehr zur deutschen Sprache gehört.
Torsten Siever