Pleonasmen: Von weißen Schimmeln und leiser Stille
[F] Meine Tochter ist heute von der Reiterfreizeit wiedergekommen und hat mir freudig erzählt, sie sei auf einem weißen Schimmel geritten. Das hat mich stutzig gemacht: Charakteristisch für einen Schimmel ist doch, dass er weiß ist, warum nennt man die Farbe häufig noch dazu? Das ist doch irgendwie »doppelt gemoppelt«.
[A] Auf diese Frage möchten wir gerne eine Rückantwort geben. Der hier beschriebene Fall ist ein Beispiel für einen Pleonasmus, damit eng verbunden auch die Tautologie, auf welche wir später auch noch eingehen. Laut dem Duden handelt es sich um Pleonasmen, wenn zusätzlich zum eigentlichen Ausdruck Worte oder Wortbestandteile verwendet werden, derer es auf den ersten Blick in den häufigsten Fällen nicht bedarf. Sehen wir uns zum besseren Verständnis einmal weitere Beispiele an: »Ich fordere eine Erstattung des Betrags« bedeutet, dass jemand eine vorab bezahlte Summe zurückerhält. Dasselbe sagt der Satz »Ich fordere eine Rückerstattung des Betrags«, das Präfix rück- ist somit überflüssig, da das Wort Erstattung schon alles aussagt. Wenn Sie noch einmal den ersten Satz unserer Antwort lesen, stolpern Sie dort vielleicht über das Wort Rückantwort: Auch das ist ein Pleonasmus. Eine Antwort ist die Reaktion auf eine Frage oder eine Nachricht. Rückantwort bedeutet das Gleiche, auch hier ist das rück- eigentlich überflüssig. Bei diesem Fall hat sich die Bedeutung aber dahingehend erweitert, dass mit Rückantwort in der Regel eine schriftliche Antwort gemeint ist und es somit nicht vollständig deckungsgleich mit Antwort ist.
Pleonasmen treten auch in Verbkombinationen auf, wo die Bedeutung eines Modalverbs – eben die Modalität – noch einmal aufgegriffen wird, obwohl der S atz ohne diesen Ausdruck denselben Inhalt hätt e. So beispielsweise bei dem Satz »Die Mutter soll angeblich Nudeln gekocht haben«. Das Modalverb soll inkludiert die Bedeutung von angeblich; strenggenommen bedarf es dieser erneuten Erwähnung nicht, um die Intention des Satz es auszudrücken. So auch bei dem Beispiel »Ich kann deine Tochter eventuell von der Schule abholen«. Das Modalverb kann beschreibt eine Möglichkeit, also einen eventuell eintretenden Fall, auch das eventuell ist somit in diesem Satz überflüssig.
Es gibt Pleonasmen auch in komplexeren Ausdrücken wie beim in der Frage beschriebenen weißen Schimmel. Ein ähnliches Beispiel ist leise Stille: Stille ist immer leise, das ist die Bedeutung des Wortes Stille an sich. Doch warum kommen derlei Dopplungen dennoch regelmäßig vor? In manchen Wendungen dienten sie dazu, etwas stilistisch besonders hervorzuheben. Pleonasmen sind somit als rhetorisches Mittel in der Literatur sehr beliebt, besonders charakteristisch sind sie für homerische Epen. Ferner sieht man an dem Beispiel der Rückerstattung oder der Rückantwort, dass Pleonasmen stark in unserem Wortschatz etabliert sind. Dadurch, dass sie keine Bedeutungsänderung des Satzes oder der Intention bewirken, bleiben sie im mündlichen – und auch im schriftlichen! – Sprachgebrauch oft unbemerkt. Dies führt letztlich auch dazu, dass sie vielleicht durch Unkenntnis reproduziert werden: Wenn beispielsweise Personen, die das Deutsche als Fremdsprache lernen, alltäglich Pleonasmen begegnen, werden sie sie sehr wahrscheinlich in ihren Wortschatz aufnehmen.
Eng verbunden mit dem Pleonasmus ist wie bereits erwähnt die Tautologie, bei der ebenfalls derselbe Sachverhalt doppelt ausgedrückt wird. Es handelt sich meist um eine Ausdrucksverstärkung mithilfe bedeutungsähnlicher oder sinnverwandter Wörter, wie beispielsweise voll und ganz, einzig und allein, immer und ewig, Hilfe und Beistand, erwägen und bedenken. Auch Tautologien sind häufig bereits in unserem Wortschatz verankert, sodass sie kaum noch auffallen und immer wieder reproduziert werden – sei es absichtlich, als Stilmittel oder zur Verstärkung, oder unabsichtlich.
Das Antonym zum Pleonasmus ist übrigens das Oxymoron (so etwa die schwarze Milch in Paul Celans »Todesfuge«).