Was heißt hier »grotesk«?
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie unterschiedlich Schriften sein können? Wie viele verschiedene Schriften es gibt, auch jenseits der den Schriftprogrammen bereits inhärenten? Sie üben jeweils ihren ganz eigenen Einfluss auf die Wahrnehmung von Texten aus; darüber wurden bereits ganze Bücher verfasst und eine Seite reicht bei Weitem nicht aus, um auch nur ansatzweise darauf einzugehen. So soll es hier um nur ein einziges Charakteristikum von Schriften gehen, nämlich eines, durch das die meisten bekannten Schriften grob in zwei Gattungen einzuordnen sind: den Unterschied zwischen Serifenschriften und serifenlosen Schriften. (Daneben gibt es noch gebrochene und nichtrömische Schriften, aber dies soll zu späterer Zeit behandelt werden.)
Serifen sind kleine Strichlein an den Buchstaben (s. Abb.), meist quer zum Hauptstrich, manchmal auch in Tropfenform, die sehr unterschiedlich gestaltet sein können (abgerundet oder eckig, auffällig oder unauffällig, dick oder dünn etc.) und umgangssprachlich oft als »Füße« bezeichnet werden. Nun gibt es Schriften, die solche Serifen besitzen – bekannte Beispiele sind Times New Roman und Georgia –, und Schriften, die serifenlos sind, wie Arial oder Helvetica. Letztere haben – zudem anders als viele Serifenschriften – häufig (allerdings nicht immer) eine einheitliche Strichstärke.
Landläufige Bezeichnungen für diese beiden Schriftgattungen sind Antiquaschriften (mit Serifen) und Groteskschriften (serifenlos), doch das ist eigentlich nicht ganz richtig, denn beide Gattungen gehören zu den Antiquaschriften. Die Antiqua ist im Zeitalter des Humanismus in Italien entstanden und wurde zunächst als Handschrift für Bücher verwendet. Als dann im späten 15. und im 16. Jahrhundert der Buchdruck die Welt eroberte, wurde diese Schrift für den Druck adaptiert. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts haben sich die Groteskschriften aus der Familie der Antiqua entwickelt – als plakative neue Werbeschriften – und sind somit genau genommen serifenlose Antiquaschriften. Daher werden sie auch als serifenlose Linear-Antiqua oder Sans Serif bezeichnet, im Gegensatz zur serifenbetonten Linear-Antiqua, welche die Serifenschriften unter sich subsumiert. Auch heute noch werden die Antiquaschriften – mit und ohne Serifen – als Satzschriften verwendet; bei einer größeren Menge Text wird jedoch in der Regel auf Serifenschriften zurückgegriffen, da diese augenfreundlicher und somit auf Dauer leichter lesbar sind.
Achten Sie doch einmal darauf, wenn Sie Zeitung, Plakate, Flyer oder ein Buch lesen: Welcher Gattung würden Sie die verwendeten Schriften zuordnen? Einmal darauf aufmerksam geworden, wird es Ihnen von nun an sicher (noch mehr) auffallen, wie unterschiedlich Schriften sein können.
Frauke Rüdebusch