Ausgabe: Der Sprachdienst 4–5/2018

Woher kommt die Redewendung auf die Rolle gehen?

[F] Was ist mit der Redewendung auf die Rolle gehen gemeint und woher kommt sie? Hat sie ihren Ursprung etwa in den sogenannten »Rollerskating-Bahnen« der 70er-Jahre?

CC-Lizenz

[A] Die Redewendung auf die Rolle gehen wird heute nur noch im übertragenen Sinne verwendet und ist vergleichbar mit dem umgangssprachlichen Ausdruck auf Zechtour gehen. Wenn jemand auf die Rolle geht, ist damit gemeint, dass er abends noch feiern geht (vgl. Duden, »Redewendungen«, 2. Aufl . Mannheim 2002). Ihren Ursprung hat die Wendung allerdings nicht in den 70ern, als die sogenannten »Rollerskating-Bahnen« – Diskotheken, in denen abends auf Rollschuhen zu lauter Musik gerollt wurde – in Mode kamen und überall aus dem Boden schossen. Viel eher handelt es sich bei der Redewendung wohl »um eine Variation von ›auf die Walze gehen‹, die früher in Bezug auf die Wanderschaft von Handwerksburschen gebräuchlich war« (Duden, »Redewendungen«).

Walzen geht etymologisch auf das althochdeutsche Verb walzan zurück und bedeutet ›sich drehen‹, ›rollen‹ oder ›fortbewegen‹. In erster Linie beschreibt es die Bearbeitung von einem Gegenstand mit einer Walze, dem zylinderförmigen Teil von »Geräten oder Maschinen verschiedenster Art mit der Funktion des Transportierens oder Glättens« (vgl. Duden, »Das große Wörterbuch der deutschen Sprache«, Mannheim 2012). Den Älteren müsste der Ausdruck auf die Rolle gehen auch noch in Bezug auf das Bügeln von Kleidung mit der Wäschemangel bekannt sein.

Küpper sieht die Verbindung zwischen der Walze und der Wanderschaft der Handwerksburschen vor allem in der Funktion der Gesellenwanderung (vgl. Heinz Küpper, »Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache«, Stuttgart 1984, Bd. 8). Diese sollte nämlich dazu genutzt werden, die eigenen Kenntnisse zu vervollkommnen und »etwaige Unebenheiten zu glätten« (ebd.). Auch die Heimatlosigkeit und die damit verbundene Suche nach Unterkünften spielten während der Wanderschaft eine große Rolle und sollten dazu beitragen, dass die Gesellen ihren Horizont erweitern so- wie berufliche Erfahrungen sammeln. Oft kehrten sie in Herbergen ein, welche Dreh- und Angelpunkt der Gesellschaft waren; daher gehörten auch »Einkehr« und »Geselligkeit« zu den nicht zu unterschätzenden Aspekten der Walz (vgl. http://www.recht- schaffene-zimmerer.de/informationen-zur-wanderschaft.html). Seit dem 19. Jahrhundert wird walzen im Zuge einer Bedeutungserweiterung auch scherzhaft im Sinne von ›wandern‹ oder ›auf Wanderschaft sein‹ gebraucht (vgl. Küpper): »Sie ist durch halb Europa gewalzt.«

Auch die Wendung auf die Rolle gehen enthält noch das Element der »unsteten Wanderschaft«, etwa, wenn man sich von einer Kneipe in die andere treiben lässt und kein bestimmtes Ziel verfolgt.

Tatsächlich lässt sich aber auch eine Verbindung des Verbs walzen zum Bereich des Tanzes und der Musik nachweisen. Abgesehen von der Musikwalze als Teil von Spieluhren und Drehorgeln (vgl. Küpper) bedeutet walzen nämlich auch ›tanzen‹ im Sinne von ›mit drehenden Füßen auf dem Boden schleifen‹ (vgl. Duden, »Das große Wörterbuch der deutschen Sprache«). Möglicherweise bezog es sich ursprünglich nur auf einen bestimmten Tanz, den Walzer (einen Walzer tanzen) , der seine Bezeichnung selbst wohl aufgrund seiner für ihn typischen Drehbewegungen erhalten hat: »Sie sind den ganzen Abend übers Parkett gewalzt.«

Aber man kann nicht nur übers Parkett walzen, sondern auch zu einer heißen Walze (= einer Schallplatte mit zündender Schlagermusik) tanzen oder eine falsche Walze einlegen (= falsch, misstönend singen). Außerdem kann nicht nur das Verb walzen, sondern auch rollen im Sinne von ›tanzen‹ verwendet werden; Küpper leitet dies allerdings eher von der Bezeichnung der Musikrichtung Rock’n’Roll ab. Dennoch ist der semantische Sprung von der Walz zum Tanz gar nicht so weit. Wäre es insofern wirklich so abwegig, zu sagen, dass jemand, der in einer Rollerskating-Bahn auf Rollschuhen seine Bahnen dreht, – kurz – auf die Rolle geht?