Ausgabe: Der Sprachdienst 5/2011

Herkunft und Bedeutung von aus dem Stegreif

[F] Man hört des Öfteren die Redensart aus dem Ste(h)greif. Was genau bedeutet dieses Substantiv? Hat es etwas damit zu tun, im übertragenen Sinn aus dem Stand, also quasi ohne Anlauf/Vorlauf, nach etwas zu greifen, eine Information verfügbar zu haben?

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[A] Wenngleich die Vermutung naheliegen mag, dass das fragliche Wort mit h geschrieben wird (*Stehgreif), so hat dieser Buchstabe hier doch nichts zu suchen, denn ein Stegreif hat weder etwas mit stehen noch mit greifen zu tun. Der Bedeutung dieses Wortes kommt man bereits ein wenig näher, wenn man es, wie der Duden es vorgibt, in Silben zerlegt: Steg-reif. Es handelt sich hierbei um eine veraltete Bezeichnung für den Steigbügel am Pferdesattel, die außer Gebrauch geriet, als sich die Form des so Bezeichneten änderte (vgl. Lutz Röhrich, »Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten«, Freiburg 1992). Das Wort selbst kam bereits im Althochdeutschen vor (stegareif, stiegereif). Der erste Bestandteil Steg- ist dabei auf das Verb steigen zurückzuführen, bei einem Reif handelte es sich nach dem »Etymologischen Wörterbuch der deutschen Sprache« von Friedrich Kluge, Berlin 2002, ursprünglich um ein Seil, das vermutlich mit Schlaufen versehen zum Aufsteigen über den Rücken des Pferdes gelegt wurde.

In der Fügung aus dem Stegreif, die bereits im 17. Jahrhundert gut bekannt war, ist das Wort auch heute noch geläufig und wird laut Lutz Röhrich angeblich überwiegend in intellektuellen Kreisen verwendet. Ursprünglich war aus dem Stegreif rein wörtlich zu verstehen als ›etwas tun/vortragen, ohne vom Pferd zu steigen‹. Hieraus leitete sich die übertragene Bedeutung ab, die sich bis heute gehalten hat: ›etwas ohne Vorbereitung, ohne langes Überlegen tun oder vortragen, improvisieren‹. Schon bei Goethe findet sich zum Beispiel: »Aus dem Stegreif die Reime zu machen, wie leicht war das!«, und früher noch bei Lessing: »Jedes große Genie redet alles aus dem Stegreif« (beides zitiert nach Lutz Röhrich).

So ist der Ausdruck Stegreif zwar durch die Wendung überliefert, seine ursprüngliche Bedeutung ist jedoch mittlerweile verblasst. Außerhalb der Fügung aus dem Stegreif ist das Wort Stegreif heute nicht mehr anzutreffen und auch den so bezeichneten Gegenstand bekommt man wohl nur noch selten zu Gesicht.