Ausgabe: Der Sprachdienst 2/2011

Herkunft und Verwendung von Bullesje

[F] Ein (Dorf-)Gefängnis wird in einigen Gebieten auch Bullesje genannt. Können Sie mir sagen, in welchen Dialekten dieses Wort gebräuchlich ist und wie es zustande kam?

[A] Gern nähern wir uns dieser Frage nach einem mundartlichen Begriff, wobei auf verschiedene Dialektwörterbücher zurückgegriffen wird. Außerdem spielen Wortbildungsmuster bei der Entstehung eine Rolle.

Die vor allem belegte Form Bullesje, mit der Variante Bollesje, ist tatsächlich ein moselfränkischer Ausdruck und ist dort wie auch im Hunsrück bekannt. Allerdings ist in einschlägigen Dialektwörterbüchern der Begriff in reduzierter Form, nämlich als Bulles für ›Gefängnis‹ verzeichnet (Hunsrücker Wörterbuch, Niederwalluf 1971; Coblenz in seiner Mundart und seinen hervorragenden Persönlichkeiten, Coblenz 1906). Doch wie uns mitgeteilt wurde, findet der Ausdruck auch im nord-mittelhessischen und nord-nassauischen Dialekt Verwendung.

Es seien noch einige andere Quellen genannt: Die Online-Enzyklopädie Wikipedia gibt unter dem Stichwort Mehren (Westerwald) als Namen des alten Verlieses oder Dorfgefängnisses in Mehren im Westerwald das Wort Bulles’Je, also Ihren angefragten Ausdruck, in einer abgewandelten Schreibweise ohne Hinweise zur Etymologie des Wortes an.

Des Weiteren gibt es außerdem etliche Hinweise auf ein Erlebnisrestaurant namens Bollesje. Es befindet sich in einem ehemaligen Gefängnis und bietet Gauneressen an, bei denen die Gäste wie »Sträflinge« behandelt werden sollen.

Nun soll der mögliche Ursprung des Wortes und der von Ihnen genannten Form Bullesje erhellt werden:

Im Hunsrücker Wörterbuch wird auf das französische Wort police als möglichen Ursprung verwiesen, da die Aussprache der beiden Wörter sich ähnelt und das Wort police von mundartlichen Sprechern des Moselfränkischen, die der französischen Aussprache nicht mächtig sind, durchaus als Bulles ausgesprochen worden sein könnte.

Im Rotwelschen bedeutete der Begriff bolle soviel wie ›Uniform‹, insbesondere ›Strafanstaltskleidung‹. Dieser Begriff wird auch auf das Jiddische zurückgeführt, wo polil die Bedeutung ›gerichtlich, richterlich‹ hat (Wörterbuch des Rotwelschen – Deutsche Gaunersprache, Mannheim 1956).

Was nun die erfragte Version, sei es Bullesje oder Bollesje, angeht, handelt es sich laut untenstehendem Onlinelexikon der Humboldtuniversität Berlin bei -je um ein Diminutivsuffix, also um eine Verkleinerungsnachsilbe der Dialekte, in denen die erfragte Form vorkommt. In saarländischen Dialekten des Rheinfränkischen und in moselfränkischen Dialekten zum Beispiel gibt es Kätzje als das Verkleinerungswort für Katze.

Aber auch in niederdeutschen Sprachen wie Plattdeutsch, Niederländisch und Flämisch tritt das Suffix -je als Verkleinerungsform auf, zum Beispiel in Antje (›kleine Anne‹) oder in Mannetje. Die Wörter Bullesje/Bollesje bezeichnen also ein ›kleines Gefängnis‹, was Ihrer Vermutung ›Dorfgefängnis‹ nahe kommt und so einen Zugang zum Wort eröffnet.