30. August 2024

Geschlechterbewusste Sprache: Die häufigsten Fragen

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1. Was ist geschlechterbewusste Sprache?

Geschlechterbewusste Sprache (auch: Gendersprache, genderinklusive oder gendersensible Sprache) ist der Versuch, die ganze geschlechtliche Vielfalt durch bestimmte Wörter, grammatische Konstruktionen oder Anredeformen zu berücksichtigen. Die veränderten Schreib- und Redegewohnheiten sollen das Bewusstsein für unterrepräsentierte Geschlechtsidentitäten stärken und diese bei der gesellschaftlichen Teilnahme unterstützen. Aktuell steht Geschlecht, verstanden als soziale Kategorie (Englisch: gender), im Vordergrund der Bemühungen. 

So bezieht sich der Ausdruck Gendersprache vor allem (aber nicht nur) auf das auffällige Markieren nonbinärer Geschlechtsidentitäten – also solcher, die nicht vom binären System »männlich/weiblich« erfasst werden – durch wortinterne Sonderzeichen wie den Stern oder Doppelpunkt (z. B. Lehrer*innen, Schüler:innen). Doch auch die explizite Verwendung weiblicher Ausdrucksformen neben den männlichen, etwa durch Paarformel, Schrägstrich- oder Klammerschreibung, wird mitunter als Gendersprache bezeichnet.

Das Verb gendern hat verschiedene Bedeutungsebenen; in der aktuellen Debatte spricht man gemeinhin vom Gendern, wenn bestimmte sprachliche Mittel verwendet werden, um im engeren Sinne Männer und Frauen, im weiteren Sinne Menschen aller Geschlechtsidentitäten sprachlich sichtbar zu machen (vgl. Duden online).

2. Wie kam es überhaupt zur Forderung bzw. Einführung einer geschlechterbewussten Sprache?

Verfolgt wird der Gedanke einer geschlechterbewussten Sprache bereits seit den 1970er-Jahren: Damals hatte sich im Bereich der feministischen Linguistik eine Bewegung formiert, die männerzentrierte Sprachverwendung kritisierte und verlangte, dass auch Frauen sprachlich sichtbar gemacht werden. Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist in Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes verankert, und bereits 1980 wurden erste Richtlinien erlassen, die sicherstellen sollten, dass Frauen und Männer auch in der Sprache eine Gleichberechtigung erfahren. War man zunächst von einem zweigeschlechtlichen, dem sogenannten binären Modell ausgegangen, so befindet sich diese Sichtweise derzeit im Umbruch: Nicht nur wurde 2018 im Personenstandsgesetz eine dritte Geschlechtsoption (»divers«) eingeführt, auch sorgt das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG), das im November 2024 in Kraft tritt, dafür, dass die Möglichkeiten der sprachlichen Inklusion ausgeweitet werden. So ist es mit Einführung des SBGG möglich, ohne größeren bürokratischen Aufwand den Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Menschen, die sich als nonbinär – also nicht dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugehörig – identifizieren, werden dann auch vor dem Gesetz als »divers« oder »ohne Geschlechtseintrag« anerkannt. Durch geschlechterbewusste Sprache wird versucht, die herrschende geschlechtliche Vielfalt sprachlich abzubilden.

3. Wie steht die GfdS zum Gendern?

Die GfdS unterstützt ausdrücklich die Ziele der geschlechterbewussten Sprache, die geschlechtliche Vielfalt zu würdigen, die Teilnahmemöglichkeiten unterrepräsentierter Gruppen zu verbessern und Ungleichheiten zu beseitigen. Sprache kann hierzu einen Beitrag leisten, allerdings gilt als wichtigste Maxime stets die erfolgreiche Kommunikation. Um diese sicherzustellen, müssen einige Anforderungen an einen Text erfüllt werden. Dieser sollte

  • verständlich sein
  • (vor-)lesbar sein
  • grammatisch korrekt sein
  • Eindeutigkeit und
  • Rechtssicherheit gewährleisten

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt empfiehlt die GfdS – wie auch der Rat für deutsche Rechtschreibung – beim Gendern in offiziellen Kontexten Paarformeln und Neutralisierungen (z. B. Partizipien, Kollektivausdrücke, Passivsätze); im privaten bzw. informellen Sprachgebrauch sind selbstverständlich auch Sonderzeichen wie der Stern möglich. Hierzu haben wir unsere Linien in Form eines Ampelsystems entwickelt, in denen wir die Möglichkeiten geschlechterbewussten oder -neutralen Formulierens beschreiben, bewerten und Empfehlungen dazu aussprechen.

4. Was versteht man unter grammatischem, natürlichem und sozialem Geschlecht?

Zu unterscheiden ist zwischen dem grammatischen Geschlecht, auch Genus genannt, und dem biologischen Geschlecht, Sexus genannt. Substantive haben entweder maskulinen, neutralen oder femininen Genus (der Baum, das Haus, die Tür, ebenso der Hausherr, die Krankenschwester, das Model), Menschen haben in der Regel männlichen oder weiblichen Sexus bzw. männliche oder weibliche Geschlechtsmerkmale und werden so in »Männer« und »Frauen« eingeteilt (außen vor bleibt hier die Tatsache, dass es Menschen mit beiderlei Geschlechtsmerkmalen gibt). Oft, aber nicht immer entspricht der Genus dem Sexus (die Frau, aber: das Mädchen; siehe dazu auch Frage 6). Eine im Rahmen der Genderdebatte eingeführte neue Kategorie ist das soziale Geschlecht: Dieses drückt aus, welchem Geschlecht Menschen sich tatsächlich zugehörig fühlen, auch wenn sie mit einem eindeutigen Sexus geboren wurden. Das soziale Geschlecht umfasst unzählige Abstufungen; zusammengefasst werden sie offiziell in den vier inzwischen auch gesetzlich akzeptierten Geschlechtseinträgen männlich, weiblich, divers und »ohne« (Löschung des Geschlechtseintrags).

5. Stimmt es, dass zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht keine Verbindung besteht und eine geschlechterbewusste Sprache daher ohnehin überflüssig ist?

Das stimmt nur teilweise. Beispiele wie die Hose (Femininum), der Rock (Maskulinum) oder das Kleid (Neutrum) deuten auf eine gewisse Willkür beim grammatischen Geschlecht (Genus) hin. Das gilt allerdings nur für unbelebte Substantive, die für die Ziele der geschlechterbewussten Sprache keine Rolle spielen. Bei Personen- und Berufsbezeichnungen existiert ein enger Zusammenhang mit dem natürlichen Geschlecht (Sexus): der Vater, der Fahrer und der Arzt sind sowohl grammatisch als auch biologisch männlich, während die Mutter, die Fahrerin und die Ärztin Frauen bezeichnen.

Dennoch gibt es auch Ausdrücke, bei denen ein solcher Zusammenhang nicht besteht. So liegen etwa mit das Mädchen (ursprünglich eine Verkleinerungsform von die Magd) oder das Weib grammatikalisch neutrale Formen für weibliche Personen vor, andere Substantive wie der Gast (inzwischen auch gebräuchlich: die Gästin), die Person und das Mitglied haben ein eindeutiges grammatikalisches Geschlecht, können sich aber auf Menschen jedweden Geschlechts beziehen. Ein Femininum wie die Memme bezeichnet außerdem meist eine männliche Person, das Maskulinum der Vamp hingegen eine weibliche.

6. Was ist das generische Maskulinum und warum wird es von Genderbefürwortern kritisiert?

Beim generischen Maskulinum geht es um die Verwendung einer Personenbezeichnung mit maskulinem Genus – z. B. der Arzt, Kollegen, viele Freunde –, um Personen unabhängig von ihrem natürlichen Geschlecht zu benennen und auszudrücken: Es sind nicht nur männliche Ärzte, Kollegen, Freunde gemeint, sondern Personen jeden Geschlechts, die zur Ärzteschaft, zum Kollegium oder zum Freundeskreis gehören. Der Arzt kann also in generischer Lesart auch eine Frau sein. Gerade im Plural wird es häufig verwendet, um Gruppen mit Personen verschiedenen Sexus zu beschreiben. Die Kritik daran bezieht sich darauf, dass Personen, die nicht männlich sind, nur »mitgemeint« sind, ohne spezifisch Erwähnung zu finden. So ist es möglich, dass bei Verwendung des Ausdrucks die Ärzte nur an Personen des männlichen Geschlechts gedacht wird und alle anderen Geschlechter gedanklich unberücksichtigt bleiben. Hierfür gibt es den Fachausdruck Male Bias: Dieser drückt aus, dass Männer bzw. männliche Perspektiven zu Lasten von Frauen und anderen Geschlechtern überproportional berücksichtigt werden.

7. Trotzdem: Warum bleibt man nicht einfach beim generischen Maskulinum? Das haben doch alle immer verstanden.

Ob das generische Maskulinum so wie vorgesehen funktioniert, ist Gegenstand kontroverser gesellschaftlicher und sprachwissenschaftlicher Diskussionen. Die verallgemeinernde Verwendungsweise gelingt möglicherweise nie vollends oder nur in bestimmten Kontexten. Empirische Studien deuten zudem darauf hin, dass nichtmännliche Personen mehr Zeit benötigen, um generisch verwendete Substantive verarbeiten zu können. So erhält das Maskulinum eine Sonderrolle, die einerseits zu Verständnisproblem oder sogar zu Mussverständnissen führen kann. Andererseits kann die überproportional häufige Verwendung des Maskulinums als Ungleichgewicht, möglicherweise sogar darüber hinausgehend als (auch soziale) Ungerechtigkeit oder Ungleichheit empfunden werden, die allen Gleichstellungsbestrebungen zuwiderläuft. Unabhängig von Verständlichkeitsfragen kann die Sonderrolle des Maskulinums in der deutschen Grammatik als Ungleichgewicht empfunden werden.

8. Welche Möglichkeiten des Genderns gibt es?

Es ist sinnvoll, zwischen Strategien der Sichtbarmachung und der Neutralisierung zu unterscheiden:

  • Strategien der Sichtbarmachung der Geschlechter
    • Paarformel bzw. Doppelnennung (Lehrerinnen und Lehrer)
    • Binäre Sparschreibung
      • Klammerschreibung (Lehrer(innen))
      • Schrägstrichschreibung (Lehrer/-innen)
    • Sonderzeichen unter Berücksichtigung aller Geschlechtsidentitäten z. B. Unterstrich bzw. Gendergap (Lehrer_innen)Asterisk bzw. Genderstern (Lehrer*innen)Doppelpunkt (Lehrer:innen)
    • Neopronomen, d. h. neu erfundene Pronomen für nonbinäre Menschen (z. B. dey, xier)
  • Strategien der Neutralisierung/Geschlechtsneutrale Varianten
    • Substantivierte Adjektive/Partizipien im Plural (die Deutschen, die Teilnehmenden)
    • Kollektivausdrücke (das Kollegium, die Bürgerschaft, der Freundeskreis)
    • Passivierung (Der Antrag wird gestellt.)
    • Generische Personenbezeichnungen ohne eine explizit männliche oder weibliche Form (der Mensch, die Person, die Leute)

9. Können Sie nichts gegen das Gendern tun? Was unternehmen Sie bereits?

Es ist nicht das Ziel der GfdS, bewusst in die Sprachentwicklung einzugreifen. Ein solches Vorgehen wäre nicht mit der in der Satzung festgelegten neutralen Ausrichtung vereinbar. Die GfdS beobachtet, dokumentiert und analysiert den aktuellen Sprachgebrauch und positioniert sich darauf aufbauend zu sprachlichen Phänomenen.

10. Wäre jetzt nicht endlich mal das generische Femininum an der Reihe?

Beim generischen Femininum sollen movierte Formen, also weibliche Entsprechungen männlicher Personenbezeichnungen, wie Lehrerinnen, Ärztinnen, Kolleginnen nicht nur Frauen, sondern auch Männer und nonbinäre Menschen einschließen. Diese Verwendungsweise ist weder von der amtlichen Rechtschreibung gedeckt noch im allgemeinen Sprachgebrauch üblich, so dass Missverständnisse zu erwarten sind. Die Vorstellung, den Spieß gewissermaßen umzudrehen und statt des generischen Maskulinums auf einmal das generische Femininum zu verwenden, könnte als Retourkutsche wahrgenommen werden.

11. Wieso sind der Genderstern und andere Sonderzeichen für das Gendern nicht so gut geeignet? Was spricht dagegen?

Der Status des Gendersterns in der deutschen Grammatik und Rechtschreibung ist noch nicht hinreichend geklärt. Das gilt auch für alle vergleichbaren Sonderzeichen wie den wortinternen Doppelpunkt, den Unterstrich bzw. Gendergap oder auch weniger etablierte Zeichen wie den Mediopunkt. Eine nicht unerhebliche Anzahl von Nomen (z. B. Biolog*innen, Kolleg*in, Ärzt*in) lässt sich nicht mit Sonderzeichen gendern, ohne dass Ungereimtheiten entstehen; hier werden grammatische Fehler verursacht, wenn für die jeweils männliche Variante Teile der eigentlichen Bezeichnung wegfallen, etwa Biolog[en]*innen, oder die männliche Form gar nicht vorkommt, wie in Ärzt*in.

Unklar ist auch, ob der Genderstern die ihm zugedachte Funktion, nonbinäre Geschlechtsidentitäten zu repräsentieren, überhaupt erfüllt. Gendersonderzeichen werfen zudem Fragen hinsichtlich ihrer Barrierefreiheit auf. Das betrifft z. B. Texte in Brailleschrift für blinde Menschen und Vorleseprogramme, zumal die Aussprache von mit Genderstern versehenen Wörtern zu weiteren Problemen führen kann (s. nächste Frage).

12. Kann ich den Genderstern aussprechen?

Im Mündlichen gilt der sogenannte Glottisverschlusslaut inklusive Minisprechpause als Entsprechung des Gendersterns. Beim meist unbewusst gebildeten Glottislaut (die Glottis ist die Stimmritze zwischen den beiden Stimmbändern im Kehlkopf), für den es keinen Buchstaben gibt, schließen sich kurz die Stimmbänder, um dann beim plötzlichen Öffnen ein knackähnliches Geräusch entstehen zu lassen. Man hört ihn etwa in dem Wort Theater zwischen dem e und dem a. Zwar ist die Aussprache des Glottislautes an sich unproblematisch, allerdings steht er normalerweise nicht vor grammatischen Endungen, sondern häufiger zwischen Wortbestandteilen in Zusammensetzungen (z. B. Spiegel-ei). Die untypische Verwendungsweise in gegenderten Wörtern kann irritieren, worauf die im Internet kursierende Zusammensetzung Innenarchitekt*innen spielerisch aufmerksam macht.  

Besonders beim schnellen Sprechen können der Glottislaut und die Minipause manchmal verschwinden. Dann klingen die mit dem Stern gegenderten Formen entweder wie das generische Femininum oder die Silbeneinteilung wirkt fehlerhaft.

13. Kann ich nicht einfach eine neue Genderform etablieren, so wie in Schweden?

Der allgemeine Sprachgebrauch lässt sich nicht vorschreiben. Ob sich eine neue Form etabliert, hängt von vielen Faktoren ab, vor allem aber von der Gebrauchshäufigkeit. Schweden ergänzte seine Personalpronomen schon vor einiger Zeit um eine dritte Option, nämlich hen (neben han ›er‹ und hon ›sie‹). Dieses sogenannte Neopronomen wurde inzwischen offiziell als Repräsentationsform für nonbinäre Menschen anerkannt. Im Schwedischen funktioniert diese Ergänzung einfacher als im Deutschen aufgrund des schon vorhandenen Sprachrepertoires. Es lässt sich schwer vorhersagen, ob Ähnliches auch in Deutschland passieren wird. Bisher konnte sich keiner der Vorschläge für nonbinäre Pronomen durchsetzen (darunter etwa siers, dey, xier, ens).

14. Wieso werden eigentlich immer noch Partizipien wie Radfahrende vorgeschlagen? Das sind doch falsche Verlaufsformen.

Im Deutschen werden aus dem Partizip Präsens gebildete Substantivierungen wie die Vorsitzenden, die Überlebenden oder die Studierenden seit Langem verwendet, ohne dass sich die Interpretation einer gerade ablaufenden Handlung aufdrängt. Das Gendern mit Partizipien lässt sich nicht pauschal als falsch bezeichnen. Momentan zeichnet sich eher die Entwicklung ab, dass dieser Wortbildungstyp produktiver wird; so sind einige Formen wie die oben genannten bereits etabliert und lexikalisiert (d. h., sie wurden in den allgemeinen Wortschatz, u. U. sogar in Wörterbücher übernommen). Ob eine Partizipform als Ersatz für das generische Maskulinum in Frage kommt, muss von Fall zu Fall beurteilt werden. Ein bekanntes Problem betrifft Berufsbezeichnungen, die als Partizipformen weniger professionell klingen können (z. B. die Richtenden statt die Richterinnen und Richter). 

15. Wie kann man nonbinäre Menschen korrekt anreden? Gibt es eine allen Geschlechtern gerecht werdende Anrede?

Eine korrekte Anrede ist ein Zeichen von Wertschätzung. Die individuellen Wünsche des Adressatenkreises sollten deshalb stets Beachtung finden. Traditionelle Anredeformeln wie Sehr geehrte Damen und Herren berücksichtigen keine nonbinären Menschen. Das Problem lässt sich vermeiden, indem pure Grußformeln wie Guten Tag! oder Herzlich Willkommen!, evtl. ergänzt durch den Vor- und Nachnamen (Guten Tag, Kim Müller), benutzt werden. Ebenso eignen sich neutrale Anredeformen wie Liebe Leserschaft, Wertes Kollegium, Sehr geehrte Fachkräfte für Gebäudeunterhaltung etc.

16. Was passiert mit Zusammensetzungen wie Ärztekammer oder Bürgersteig?

Mehr dazu: Leitlinien der GfdS zu den Möglichkeiten des Genderings > Komposita

Solche Zusammensetzungen bestehen aus zwei oder mehr Bestandteilen. Während der erste Bestandteil wie in den Beispielen Ärztekammer oder Bürgersteig eine Personenbezeichnung ist, ist der zweite Bestandteil eine Sachbezeichnung. Da das Hauptwort von Zusammensetzungen jedoch stets der zweite (bzw. rechtsstehende) Teil ist, geht es letztlich nicht um die sie genauer bestimmenden Personen, sondern – hier konkret – um eine Kammer im Sinne einer Körperschaft bzw. einen Steig im Sinne eines Gehwegs. Daher sollte das Erstglied nicht gegendert werden. Es heißt also nicht: Ärztinnenbesuch, Besucher/-innenansturm, Touristinnen-und-Touristen-Falle, Bürger(innen)steig.

Ist das Zweitglied eine Personenbezeichnung, ist abzuwägen, ob Gendern sinnvoll ist: Lehrersohn vs. Lehrerinsohn/Lehrerinnensohn. In solchen Fällen empfiehlt sich zur Spezifizierung eine Umschreibung mit Genitivattribut: Sohn einer Lehrerin/Sohn eines Lehrers.«

Einige Zusammensetzungen lassen sich umformulieren und in Neutralisierungen überführen: Rednerpult – Redepult, Bürgersteig – Gehsteig.

17. Muss man nur bei Personen gendern?

Sachbezeichnungen haben nur ein grammatisches, aber kein natürliches oder soziales Geschlecht, weshalb sich hier Fragen der Geschlechterbewusstheit nicht stellen. In Formulierungen wie Die Firma ist ein guter Arbeitgeber/eine gute Arbeitgeberin sind beide Varianten richtig, d. h. die aufeinander bezogenen Wörter dürfen im Genus übereinstimmen (Kongruenz), sie müssen es aber nicht. Die Übertragung der Grundsätze einer geschlechterbewussten Sprache auf Sachbezeichnungen ist an und für sich nicht notwendig, handelt es sich doch um abstrakte Entitäten.

18. Wie gendert man in anderen Sprachen?

Auch in vielen anderen Sprachen wird versucht, eine geschlechterbewusste Sprache zu etablieren. Einen kurzen Überblick über das Gendern in einigen Sprachen geben die folgenden Artikel auf unserer Website:

Interessante Entwicklungen gibt es unter anderem auch im Englischen: Dort gibt es bereits viele neutrale Personenbezeichnungen, dennoch bemüht man sich auch hier, die verbliebenen geschlechtsspezifischen Ausdrücke geschlechterbewusst zu gestalten. So bezieht man sich etwa auf Indefinitpronomen wie somebody, nobody, anyone etc. mit dem Pronomen they: Someone asked for you, but they would not say what their intention was. Bei geschlechtsspezifischen Personenbezeichnungen wie freshman student oder waiter/waitress, fireman verwendet man nach Möglichkeit Ersatzausdrücke: first-year student, server, firefighter. Um geschlechtsspezifische Pronomen im Singular zu vermeiden, kann zudem in vielen Fällen auf den Plural ausgewichen werden: each professor and his assistant – all professors and their assistants.

19. Kann oder sollte man in Leichter oder Einfacher Sprache gendern?

Geschlechterbewusste Sprache und verständliche Sprache eint der inklusive Gedanke. Allein schon aus diesem Grund ist der Gebrauch genderbewusster Formen in Leichter oder Einfacher Sprache sinnvoll. Allerdings muss die Verständlichkeit von Texten immer im Vordergrund stehen. Daher wird auf bestimmte Möglichkeiten des Genderns verzichtet, während andere problemlos möglich sind.

Für die Leichte Sprache gelten nach aktuellem Kenntnisstand die folgenden Möglichkeiten als gut verständlich:

  • Neutrale Formulierungen (ausgenommen: Partizipien)
  • Direkte Ansprache
  • Paarformeln (mit Erstnennung der männlichen Form)

Beim Gebrauch des generischen Maskulinums darf auch in der Leichten Sprache ein Hinweis erfolgen, dass diese Form auf alle Geschlechter verweist; der Hinweis darf aber nicht vom Inhalt ablenken. Partizipien sollten nur verwendet werden, wenn sie in der Lebenswelt der Zielgruppe vorkommen. Nichtbinäre Formen mit Genderstern usw. könnten die Verständlichkeit grundsätzlich beeinträchtigen. Wenn solche Formen verwendet werden, sollten sie zumindest erklärt werden.

Für die Einfache Sprache gelten prinzipiell die gleichen Grundsätze. Nach der DIN-Norm für Einfache Sprache sollten außerdem die Erwartungen der Zielgruppe eines Textes bezüglich der Verwendung geschlechterbewusster Sprache berücksichtigt werden.

20. Was sagt die Sprachwissenschaft zum Gendern?

Es gibt in der Sprachwissenschaft keine einheitliche Meinung zum Thema Gendern. Renommierte Fachleute äußern sich sowohl befürwortend als auch ablehnend, überwiegend aber zurückhaltend. Empirischen Studien zufolge erzeugt das generische Maskulinum eine Überrepräsentation des Männlichen. Wegen der verwendeten Methodik wird die Aussagekraft dieser Studien aber zum Teil in Frage gestellt. Ebenso beforscht werden die oben erwähnten verschiedenen Möglichkeiten und Strategien der geschlechterbewussten Sprache, doch auch hier gibt es bislang keine klaren Ergebnisse.

21. Genderpflicht oder Genderverbot, in den Nachrichten hört man beides. Was stimmt denn nun?

Die Frage ist komplex, in Expertenkreisen umstritten und abhängig von der Gendervariante, dem Bundesland und der Kommunikationssituation (z. B. privat oder in einem Angestelltenverhältnis) differenziert zu betrachten. 2018 trat eine wichtige Gesetzesänderung in Kraft, die es beim Eintrag ins Personenstandsregister ermöglicht, neben den Optionen »männlich« und »weiblich« auch »divers« auszuwählen oder den Geschlechtseintrag zu streichen. Daraus wird zum Teil die sprachliche Pflicht zum Gendern abgeleitet, allerdings enthält das Gesetz keine expliziten Hinweise zur Sprache, insbesondere nicht in Bezug auf spezifische Formen wie den Stern. Im privaten bzw. inoffiziellen Rahmen besteht grundsätzlich keinerlei Pflicht zum Gendern. Hier können nach wie vor alle so schreiben, wie sie wollen.

Von Genderverboten hört man vor allem in Bezug auf Landesregierungen und Behörden. Der Begriff Genderverbot ist allerdings irreführend. Das Verbot bezieht sich ausschließlich auf die Verwendung schriftbasierter nichtbinärer Formen mit Binnenwortzeichen wie dem Genderstern oder dem Doppelpunkt. Das heißt gleichzeitig nicht, dass eine geschlechterbewusste Sprache untersagt wird, die auch andere inklusive Lösungen anbietet.

In seinem im Juli 2024 aktualisierten Regelwerk spricht der deutsche Rechtschreibrat als hier normierende Instanz eine klare Empfehlung gegen die Verwendung solcher Sonderzeichen aus. Viele andere Möglichkeiten einer geschlechterbewussten Sprache, etwa Paarformeln oder Partizipien, werden vom Rechtschreibrat hingegen akzeptiert. Der Anwendungsbereich des »Verbots« der schriftbasierten nichtbinären Formen ist indes beschränkt: Das Regelwerk ist ausschließlich für staatliche Behörden (Schulen, Verwaltungen) verbindlich und gilt hier wiederum nur im Bereich der Schriftsprache. Für alle anderen sind die Rechtschreibregeln bloße Leitlinien.

22. Wir haben uns im Kollegium darauf geeinigt, dass gegendert werden soll. Was sollten wir beachten?

Allen nichtstaatlichen Stellen und Unternehmen steht es frei, ihre Texte zu gendern. Wenn ein geschlechterbewusster Sprachgebrauch gewünscht ist, empfiehlt es sich, einheitlich vorzugehen und ein Corporate Wording anzulegen. Hier können dann alle Formen genannt werden, die verwendet werden sollen oder eben nicht (etwa nichtbinäre Formen mit Stern). Das Corporate Wording kann auch um eine positive oder negative Wörterliste ergänzt werden (um etwa Partizipien aufzuführen, die verwendet werden sollen). Zudem können sprachökonomischen Lösungen (etwa Schrägstrich- oder Klammerschreibungen) und Lösungen für »Spezialfälle« (etwa Komposita, Sachbezeichnungen, siehe Frage 16) festgelegt werden. Es kann auch je nach Zielgruppe bestimmter Textsorten geklärt werden, ob überhaupt gegendert werden soll. Werden Personen(gruppen) angesprochen, für die das binäre System funktioniert, können Paarformeln verwendet werden. Sollen verschiedene Geschlechter angesprochen werden, gilt: Neutrale Formen sind eher unproblematisch und sollten nichtbinären Formen mit Binnenwortzeichen vorgezogen werden. Wenn es hier keine angemessenen Lösungen gibt, kann auch auf Formen mit Stern usw. zurückgegriffen werden. Hier ist allerdings Vorsicht in Hinblick auf grammatische Folgeprobleme geboten (siehe Frage 10). Das generische Maskulinum ist nicht zu empfehlen. Wird sein Einsatz dennoch gewünscht, besteht die Gepflogenheit, einen Generalvermerk zu machen, meist in Form einer Fußnote. Hier erfolgt ein Hinweis, dass mit dieser Form stets alle Geschlechter angesprochen werden.

23. Handelt es sich beim Gendern um unnatürlichen Sprachwandel?

Die Unterscheidung zwischen einem natürlichen und einem unnatürlichen Sprachwandel ist problematisch. Impulse für Veränderungen können sowohl von einzelnen Quellen mit Strahlkraft (z. B. die Übersetzung der Lutherbibel) als auch diffus von der breiten Bevölkerung ausgehen. Wird ein unnatürlicher Sprachwandel mit Zwang, einem Lenken, gar Kontrollieren des Sprachgebrauchs durch die Obrigkeit gleichgesetzt, so ist die Frage zu verneinen. Denn auch wenn es beim Gendern mittlerweile viele Vorgaben »von oben« gibt, ob und wie gegendert wird oder werden muss, z. B. durch den Arbeitgeber, eine Bildungsinstitution oder in den Medien(anstalten), darf dies im privaten und inoffiziellen Rahmen stets selbst entschieden werden. Doch auch diejenigen, die sich dagegen entscheiden, genderbewusste oder -neutrale Formulierungen zu verwenden, regt die Genderdebatte möglicherweise zum Nachdenken über den Sprachgebrauch und dessen Implikationen an. Inzwischen lässt sich wohl behaupten, dass das Gendern salonfähig ist. Sprachliche Formen, die tatsächlich verwendet werden, etablieren sich mit der Zeit; was hingegen nicht oder nur punktuell verwendet wird, verliert sich wieder. So ist davon auszugehen, dass sich langfristig gangbare Wege für eine genderinklusive Sprache ergeben werden.

24. Wo kann ich mich weiter über das Thema geschlechterbewusste Sprache informieren?

Zum Thema Gendern haben wir eine umfangreiche Bibliografie zusammengestellt, die regelmäßig aktualisiert wird. Bei allgemeinen Fragen zum Gendern können Sie sich gern an unsere Sprachberatung wenden: 09001 888 128 (1,86 €/Min.)

Praxisleitfaden zur geschlechterbewussten Sprache

Unser Praxisleitfaden enthält Material für Seminare zur Aus- und Fortbildung im Bereich der Behördenkommunikation sowie für Sprachinteressierte zu den Themen »Bürgerfreundliche Verwaltungssprache«, »Geschlechterbewusstes Formulieren« und »Aktuelle deutsche Rechtschreibung«.