Ausgabe: Der Sprachdienst 2–3/2005

Woher kommt das Wort Kokolores?

[F] Woher kommt das Wort Kokolores für ›Unsinn‹? Gerade im Zusammenhang mit Fasching drängt es sich uns geradezu auf. Hat es damit etwas zu tun?

@ CC-Lizenz

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[A] Gern gehen wir auf Ihre Anfrage zu Kokolores ein. Frühere Erklärungsversuche unsererseits bezogen sich lediglich auf die Anmerkungen in Heinz Küppers Lexika zur Umgangssprache (siehe jetzt Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache, Bd. 4, 1984), der »per omnia saecula saeculorum« (»von Ewigkeit zu Ewigkeit«) als Ausgangspunkt sieht und also eine volkstümliche Verballhornung der christlichen Formel annimmt. Küpper zieht zudem gaukeln, Gaukler heran, und diese Mutmaßung findet sich auch im Duden-Herkunftswörterbuch, wo es zurückhaltend heißt (2001): »Vielleicht gehört er [= der Ausdruck] zu m[ittel]n[ieder]d[eutsch] gokeler ›Gaukler‹.« Man stützt sich also nur auf gewisse lautliche Ähnlichkeiten. Solche rein spekulativen Deutungen befriedigen nicht, zumal Betonung und Aussprache differieren. Kaum vorstellbar, dass die Gebetsworte »per omnia saecula saeculorum«, ebenso dass das Gaukeln, wobei es ja um Vorspiegelung und Täuschung geht, zum Ausgangspunkt für Gerede und Unfug geworden sind.

Plausibler erscheint mir Lutz Röhrichs Interpretation (Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, 1991), die auf den Hahn und den lateinischen Ausdruck cockalorum Bezug nimmt. Ihr schließt sich Elmar Seebold an (siehe Kluge, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 1995/2002); er kommentiert: »Das Wort stammt wohl aus der Überlieferung, in der zum Anschein der Gelehrsamkeit pseudo-lateinische Wörter gebraucht werden […]. Vermutlich ist ein solches Wort (mit späterer Umgestaltung) stellvertretend für diese Form des eitlen Prahlens geworden und dann verallgemeinert worden.«

Da gerade in der Wiesbadener Gegend, zumal bei der Fastnacht im benachbarten Mainz, Kokolores als Kennzeichnung von reinen Spaß- und Unsinnsreden recht verbreitet ist, sah ich in den einschlägigen Mundartwörterbüchern nach und wurde fündig: Belegt ist Kokelores im Südhessischen Wörterbuch (Bd. III, 1977) als ›unglaubwürdiges Gerede, Unsinn, törichtes Geschwätz, dummes Zeug‹, auch als ›Durcheinander‹ sowie als ›Spaßmacher‹. Die Deutung bleibt offen (vermutet wird auch hier eine Verbindung zu gaukeln). Auch in Sachsen kennt man den Ausdruck für ›sinnlose Unternehmungen, Durcheinander, unbrauchbare Arbeit‹, zudem für ›dummes Geschwätz, Unsinn‹. Erläutert wird mit Bezug auf Heinz Küpper: »Das wohl pseudo-lat. Wort soll prahlerische Gelehrsamkeit karikieren.« (Wörterbuch der obersächsischen Mundarten, Bd. 2, 1994.)

Ähnlich sind die Verhältnisse im Schlesischen – Kokulores meint ›Unsinn‹, und kokeln, kokern bezeichnet das Gackern der Hühner, kakeln, kokeln aber zudem ›unsinnig daherreden, schwätzen‹ – und in westdeutschen Dialekten, wo kuckelures (kokelores) den Hahn (in der Kindersprache) meint; kuckeln bedeutet auch ›gackern‹ und ›kichern‹ sowie ›Mädchen, das sich auffallend gebärdet‹. Getue, Geschreie, auffallendes Benehmen, ohne dass etwas Sinnvolles und Ernsthaftes geschieht, dies sind die gemeinsamen Kennzeichen. (Siehe Schlesisches Wörterbuch, Bd. II, 1964, und Rheinisches Wörterbuch, Bd. IV, 1938.) Das Badische Wörterbuch (Bd. 2, 1942–1974) kennt Gockelore als ›Dummkopf‹, und der Gockler oder Göckler ist der Haushahn.

Kuckelöres wird daneben im Aachener Sprachschatz (Will Hermanns, 1970) als Variante für Kikeriki verzeichnet, also als Hahnenruf, und volksläufig ist »Kukelöres! sätt der Hahn«. Ebenso klar liest es sich im Schwäbischen Wörterbuch (Bd. 3, 1911): gockelorum = ›Hahnenruf‹, als Variante von gockel-gückeriki.

Dem Hahn nun – in etlichen Dialekten Gockel oder Gockelhahn (vgl. englisch cock, französisch coq) – wird ja auch Prahlerei und Stolz (stolz wie ein Hahn), Keckheit und Großtun zugeschrieben (Der Hahn spielt gern den großen Herrn; Der Hahn ist König auf seinem Mist; Bist heut Nacht beim Gockel gelegen, weil du so gescheit bist?). Auch an den Ruf des Hahns knüpfen sich Redensarten und Sprichwörter an. Das Hahnenkrähen ist zudem im Volksglauben von Bedeutung, nicht nur beim Vorherbestimmen des Wetters. »Ganze Tiergespräche setzt die Volksphantasie zusammen« (Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Band III, 1930/1931).

Ein Karnevalsverein in Nordbaden hat seine Vereinszeitung Goggel‘lores genannt und führt auch (die Schreibweise deutet schon darauf hin) einen Hahn – einen Gockel, Goggel – wie ein Wappen auf. Natürlich trifft man sich am Goggelbrunnen.

Kurz und gut: Es hat den Anschein, dass Kokolores/Kokelores sich an den Hahnenruf knüpft. – Und irgendwie, das sei jetzt dahingestellt, wird sich eine Verbindung ergeben zu dem Goggalori, von dem es im Nürnberger Wörterbuch (1962) von Herbert Maas heißt: »Spöttisch für ›Liebhaber‹.«