Herkunft der Vorsilbe sau-
[F] Heute habe ich wieder eine Frage. Wie erklärt sich eigentlich die Vorsilbe sau-, Sau-, die so gern benutzt wird, z. B. in den Ausdrücken Sauwetter, saukalt?
[A] Das Wort bzw. die Vorsilbe Sau, sau- wird schon seit langem in Zusammensetzungen gebraucht, sei es Sauglück, Saukälte oder saugrob, saukalt, sauschlecht. (Daneben kommen z. B. auch schweinekalt oder Schweinegeld im Sinne von ›sehr viel Geld‹ vor.) Manche Sprachwissenschaftler und Lexikographen erkennen darin eine Intensivierung des Ausdrucks; so schreibt etwa schon Adam Wrede in seinem Kölnischen Sprachschatz (1958): »begriffsverstärkend in Wortgefügen: Sauarbeit, -kälte, -wedder [= -wetter]«. Oft werden ja »tierische« Elemente in Wortverbindungen einbezogen, in unterschiedlicher Weise, man denke nur an Affenhitze oder aktuell affengeil (vgl. weiter unten), an bärenstark, bienenfleißig oder wieselflink.
Zu Sau gibt es seit langem unzählige Sprichwörter – die Sau lässt das Wühlen nicht – und Redensarten – wie die Sau vom Trog laufen –, und ich könnte jetzt viele Zitate anführen. Das Schwein bzw. die Sau hat als Haustier seit Urzeiten den Menschen begleitet, und aufgrund seiner Lebensweise und seines Verhaltens wird es oft als Symbol für Unreinheit, Schmutz, Gestank, ja auch Größe und Plumpheit betrachtet. Viele sprachliche Wendungen gehen in diese Richtung, und so könnte man durchaus aus die erwähnte Sauarbeit als bildlich begreifen: eine Arbeit, die schmutzig und unangenehm ist.
Sau wurde früher allgemein als Missgeschick und Fehler verstanden, so z. B. in der Studentensprache des 19. Jahrhunderts, »alles was schlecht und unangenehm ist« – dann wurde aber auch schon umgedeutet: »eine unbändige Sau im Leibe haben« hieß ›Glück haben‹! (So nach Friedrich Kluge, Deutsche Studentensprache, 1895. Schon J. Ch. Adelung vermerkte in seinem Grammatisch-kritischen Wörterbuch der hochdeutschen Mundart, Ausgabe 1807: »Ein Klecks, besonders ein Tintenklecks, heißt im gemeinen Leben häufig so wohl eine Sau, als ein Schwein, welchen Nahmen in den niedrigen Sprecharten auch wohl ein jeder Fehler bekommt. Eine Sau machen.«) Und sauen konnte aber auch heißen – ›Glück im Spiel haben‹. Daher mag nun Sauglück rühren, also wieder unter positivem Aspekt gesehen. Dies liegt daran, dass es früher beim Kartenspiel eine hohe Karte gab, einem Ass gleich, und sie zeigte eine Sau; wer also diese hohe Karte auswerfen konnte, gewann – und hatte Glück. (Dies nach dem Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm, Band 8, 1893, Sp. 1846 f.)
In manchen Dialekten, vor allem im Süddeutschen, sind schon in vergangenen Jahrzehnten viele entsprechende Wortprägungen belegt, und schier unerschöpflich ist hier das Schwäbische Wörterbuch von Hermann Fischer (5. Band, 1920), und das will natürlich nicht heißen, dass gerade die Schwaben saugrob seien – herausgegriffen seien einige charakteristische Ausdrücke: Saugosch (›böses, wüstes Maul‹), Saulackel (›Tölpel‹), Sauloch (stets Schelte, ›wüste Wohnung‹, ›Weib‹, so wie Saumensch), Saupech (›verwünschtes Unglück‹), Sauwein (›schlechter Wein‹) oder Sauwetter (›schlechtes Wetter‹: »eine der geläufigsten Schelten mit Sau-«). Auch J. A. Schmeller verzeichnete im Bayerischen Wörterbuch (Bd. II, 1877) die schon genannten Verbindungen saugrob und Sauglück. Das Adjektiv saugrob sowie die Belege aus dem Schwäbischen gehören natürlich in die Reihe der traditionellen Wortverknüpfungen, in denen Negatives bzw. Unangenehmes, das man mit den Eigenschaften und Verhaltensweisen des Schweins verbindet, zum Ausdruck kommt, während Sauglück sicherlich auf das Glück im Kartenspiel zurückzuführen ist.
Auffällig ist tatsächlich, dass seit einiger Zeit – aber sehr aktuell ist dies gewiss nicht – besonders in der Jugend- und der Umgangssprache sich viele Ausdrücke mit Sau- bzw. sau- beobachten lassen, und dies durchaus nicht immer mit negativer, sondern auch mit positiver Bedeutung. Hier zeigt sich eine neuere Entwicklung. So kann etwas saugut sein, sauedel, saustark – dies sind Beispiele aus Margot Heinemanns Lexikon aus DDR-Zeiten: Kleines Wörterbuch der Jugendsprache (1990), und die Autorin nennt auch Belege für tierisch (»Der Mann ist tierisch in Ordnung«, »In dem Schuppen war tierisch was los«). Man sieht, hier geht es um die Intensivierung, die Steigerung des sprachlichen Ausdrucks.
Und dies war durchaus nicht DDR-typisch, was allgemein bekannt ist und was anhand der Lexika von Heinz Küpper und Hermann Ehmann noch gezeigt werden soll. Den Anfang machte Küpper mit seinen Wörterbüchern zur Umgangssprache. Seine Belege gehen oft bis 1900 zurück; herausgegriffen seien einige Beispiele für den intensivierenden, verstärkenden Gebrauch, und die Jugend- wie die Umgangssprache neigt ja zur Drastik: saufroh (›sehr zufrieden, glücklich‹), saugut (›sehr gut, hochherzig, großzügig, sehr kameradschaftlich‹), saunett (›sehr liebenswürdig, urgemütlich‹), sauschnell (›überaus schnell‹) oder sauteuer (›sehr kostspielig‹). Ehmann geht in affengeil. Ein Lexikon der Jugendsprache, München 1992, auf sau- ein; hier heißt es (S. 109): »signalisiert eine Verstärkung der Semantik: besonders extrem, sehr, wunderbar, toll […].« Als oft zu vernehmende Ausdrücke nennt Ehmann saugut, saustark, saugeil und saumäßig sowie als Variante für den norddeutschen Sprachraum schweinegeil. Abschließend (einen weiteren Blick auf die ähnliche Verwendung von schweine- und tierisch versage ich mir) seien noch drei aktuelle Beispiele angefügt: saubillig, saufrech und – vielleicht ein passendes Schlusswort – saukomisch.