Ausgabe: Der Sprachdienst 5/2012

Herkunft von Stax

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Grafik: Anni Jung www.anni-jung.de

[F] Die Figur des Stax tritt in einigen Gedichten auf. So etwa beim Gedicht »Glückwunsch« von Heinrich von Kleist:
Ich gratuliere, Stax, denn ewig wirst du leben;
Wer keinen Geist besitzt, hat keinen aufzugeben.
Wo hat dieses Wesen seinen Ursprung und wie soll man es sich vorstellen?

[A] Der Stax kommt tatsächlich in mehreren Gedichten vor, sein äußeres Erscheinungsbild wird jedoch kaum beschrieben. Aus Gedichten von Ludwig Hölty oder Johann Joachim Ewald lässt sich jedoch erahnen, dass sich dieses Wesen nicht gerade durch besonders liebenswürdige Qualitäten und Begabungen auszeichnet:

Stax singt mir seine Lieder vor,
Und brüllt in mein erschrocknes Ohr,
O Alpenwürdiger Gesang!
Mir schmerzt das Ohr acht Tage lang.
(Johann Joachim Ewald, »Stax«)

Eine besondere Faszination muss die Figur auf Gotthold Ephraim Lessing ausgeübt haben, denn in vielen seiner Gedichte und Sprüche hat der Stax einen besonderen Auftritt (etwa bei »Thrax und Stax« oder »Der kranke Stax«), wobei hier diese Bezeichnung zum Teil sogar im Sinne eines Schimpfwortes verwendet wird.

Wie der Stax aussieht, wird dabei allerdings nicht thematisiert. Eine etymologische Herleitung könnte dabei helfen, zumindest Anhaltspunkte zur Vorstellung zu finden.

Ein Rückgriff auf das dem Stax sehr ähnliche griechische Wort Styx (????) ist leider nicht hilfreich. Hierbei handelt es sich nämlich der griechischen Mythologie nach um »Das Wasser des Grauens«, also um den Namen des griechischen Unterweltflusses und der sie repräsentierenden Göttin (vgl. Lurker, »Lexikon der Götter und Dämonen«, Stuttgart 1989).

Genauere Auskunft über das Erscheinungsbild des Stax geben hingegen ältere sowie aktuelle Wörterbücher.
Im »Deutschen Wörterbuch« der Brüder Grimm (Leipzig 1854 ff.) wird ein stax als ›ungelenksamer, steifer, unbeholfener, dummer mensch‹ beschrieben.

Auch aktuelle Wörterbucher geben Auskunft zu diesem Wesen. Meist wird zwar der Stax nicht direkt aufgeführt, sehr wohl jedoch finden sich ähnliche Wortformen. So ist beispielsweise im »Deutschen Universalwörterbuch« des Duden (Mannheim 2006) das Wort staksen als Intensivbildung (also ein Verb mit intensiver Aktionsart) zum umgangssprachlichen Ausdruck staken verzeichnet. Beide Worte tragen die Bedeutung ›sich ungelenk, mit steifen Beinen fortbewegen, irgendwohin bewegen‹.
Kluges »Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache« (Berlin u. a. 2011) beschreibt das Wort staksen als eine Ableitung vom mittelniederdeutschen Wort stake, welches wiederum ›Pfahl‹ bedeutet – daher wohl die steife Art des Stax. Pfeifers »Etymologisches Wörterbuch des Deutschen« (Berlin 1993) verzeichnet zudem auch die Form Staks, welche der Bedeutung nach für einen ›langen, dünnen Kerl‹ steht. Die Begriffe Staks und staksen können demnach bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgt werden.

Es zeigt sich, dass dieses Wort in unterschiedlichen Variationen in mittel- und oberdeutschen Mundarten auch heute noch in Verwendung ist. Das »Südhessische Wörterbuch« (Marburg 1998) verzeichnet etwa die Form staksen und gibt die Bedeutung als ›steifbeinig umhergehen‹ und ›affektiert gehen, stolzieren‹ an. Ähnliche Auskunft gibt auch das »Wörterbuch der obersächsischen Mundarten« (Leipzig 1996), hier wird die Bedeutung von staken und staksen unter anderem jeweils als ›langsam und steif gehen, stelzen‹ beschrieben.

Generell zeigt sich, dass auch Wortformen im Schwäbischen, in Vorarlbergischen sowie im Tirolerischen (hier jedoch zum Teil als staggln verzeichnet und auch dementsprechend ausgesprochen) allesamt in das Bedeutungsfeld um eine eher ungelenke Fortbewegungsart einzuordnen sind, wobei im Vorarlbergischen auch noch die Bedeutung ›stottern‹ für staggln hinzukommt (Fischer, »Schwäbisches Wörterbuch«, Tübingen 1920; »Vorarlbergisches Wörterbuch«, Wien 1965; »Wörterbuch der Tiroler Mundarten«, Innsbruck 1955). Lediglich in der Schweiz findet sich das Wort Stax oder Stux auch in neuerer Zeit als Beleidigung für einen ›dummen Kerl‹ (»Schweizerisches Idiotikon, Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache«, Frauenfeld 1952).

Die hier gewonnen Informationen deuten also darauf hin, dass es sich beim Wort Stax um eine Art Komposition handelt, die als eine Ableitung vom Verb staksen oder vom Nomen Staks gebildet wurde. Es liegt daher nahe, dass es sich beim Stax um ein hageres, großes Wesen handelt, welches vermutlich eine recht eigenwillige Gangart pflegt.

Die Suche nach weiteren Hinweisen zum Stax, abseits von mundartlichen Verwendungen des Verbs staksen (und seinen regionalen Aussprache- und Schreibvarianten), blieb jedoch leider unergiebig. Woher das Wort stammt oder ob der Schöpfer gar ein Dichter war, kann leider nicht nachverfolgt werden. Sein Vorkommen in der Literatur war offenbar nicht häufig genug, um ihm einen Eintrag in einem literaturwissenschaftlichen Lexikon zu bescheren, auch finden sich in allgemeinen Nachschlagewerken keine Informationen zum Stax.

Schlussendlich bleibt es also der Fantasie der Leserinnen und Leser überlassen, sich ein genaues Bild von diesem Wesen zu machen.