Ausgabe: Der Sprachdienst 6/2021

Von man und frau

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[F] Warum heißt es man und wer genau ist damit gemeint? Wieso sieht es dem Wort Mann so ähnlich, wenn doch auch Frauen mitgemeint sind? Ist frau ein adäquater Ersatz?

[A] An dem kleinen Wörtchen man scheiden sich schon lange die Geister. Gerade vor dem Hintergrund der immer stärker spürbaren Bestrebungen, Sprache geschlechtergerecht(er) zu gestalten, gerät ein Wort, das orthografisch fast genauso aussieht und phonologisch genauso klingt wie das Substantiv Mann, schnell unter Generalverdacht, eben nicht beiden Geschlechtern gerecht zu werden. Es entsteht der Anschein, dass wer man benutzt, auch nur männliche Adressaten im Sinn hat. Befassen wir uns also mal etwas genauer mit diesem zunächst recht unscheinbar wirkenden Wort.

Bei man handelt es sich um ein sogenanntes Indefinitpronomen, ein unbestimmtes Pronomen der 3. Person. In erster Linie spielt es im Deutschen eine syntaktische Rolle, nämlich die des Subjekts. Ist in einem Satz das Subjekt nicht näher bekannt oder soll es beabsichtigterweise unbestimmt und eher allgemein bleiben, tritt das Indefinitpronomen man an seine Stelle: Man kann ja nie wissen. Ähnlich können auch die Pronomen einem (Dativ; Man kann kommen und gehen, wie es einem beliebt) oder einen (Akkusativ; Diese Musik lässt einen nicht mehr los), im Alltag auch einer (Nominativ; Das soll einer wissen) verwendet werden. Das unbestimmte Pronomen der 3. Person man selbst tritt hingegen nur in einer einzigen Form auf, nämlich im Nominativ Singular maskulin, und nur in einer einzigen Funktion: als Subjekt. Auf wen genau sich dieses Pronomen bezieht, wie viele Menschen gemeint sind und welches Geschlecht sie haben (grammatisch oder natürlich), bleibt dabei vollkommen offen (vgl. Duden, Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle, Berlin 2016).

Die orthografische Nähe zum Substantiv Mann ist allerdings tatsächlich kein Zufall. Das Pronomen man entwickelte sich aus dem Nominativ Singular dieses Substantivs. Zusammen mit verwandten Wörtern in anderen indoeuropäischen Sprachen geht Mann, ahd. man, auf *manu- oder *monu- ›Mensch, Mann‹ zurück. Wo das Substantiv Mann seine frühere umfassende Bedeutung ›Mensch‹ verloren hat und heute fast ausschließlich nur noch als ›Mensch männlichen Geschlechts‹ verstanden wird, hat sich das Pronomen man diese umfassende Bedeutung bewahrt. Zu sehen ist das heute noch an Wörtern wie jemand, niemand oder jedermann. Dabei hat sich sein Bedeutungsspektrum sogar erweitert: Zunächst bedeutete man ›irgendein Mensch‹, dann ›jeder beliebige Mensch‹ und umfasst heute singularische und pluralische Vorstellungen (vgl. Duden, Das Herkunftswörterbuch, Berlin 2007).

Betrachten wir man im Kontext der geschlechtergerechten Sprache, stolpern wir zwangsläufig über sein Genus (das grammatische Geschlecht), das eben maskulin ist. Denn obwohl die sämtlich maskulinen Indefinita (neben man auch jemand, jedermann, niemand, wer, mancher, jeder, keiner, einige, etliche, mehrere, alle) semantisch arm sind (also isoliert kaum bis keine Bedeutung tragen, sondern eher syntaktische Funktionen erfüllen) und somit keine Geschlechterstereotype enthalten können, werden sie in den meisten Fällen männlich interpretiert. Wer den Satz Jemand war gestern zu Besuch hört, der denkt eher an einen Besucher als an eine Besucherin. Hier zeigt sich, dass Genus und Sexus zwar sprachwissenschaftlich betrachtet zwei klar voneinander zu unterscheidende Konzepte sind, die Sprachrealität allerdings anders aussieht und hier eine enge Verflechtung von Genus und Sexus (dem natürlichen Geschlecht) zu beobachten ist (vgl. Helga Kotthoff und Damaris Nübling, Genderlinguistik. Eine Einführung in Sprache, Gespräch und Geschlecht, Tübingen 2018).

Aber sollten wir man aufgrund seiner tendenziell eher männlichen Aufladung aus unserer Sprache verbannen? Und wenn ja, wäre das neu gebildete frau eine angemessene Alternative? Beides ist klar mit nein zu beantworten. Ist das Ziel eine geschlechtergerechte Sprache, also eine, die Personen egal welchen Geschlechts gleichermaßen einbezieht, kann frau keine Alternative sein. Denn als scheinbarer Ersatz für man wird es oft und teilweise auch eher scherzhaft so verwendet, dass ausschließlich Frauen gemeint sind. Zudem hat sich gezeigt, dass Wörter, zu denen ein feminines Korrelat existiert – wie Lehrerin zu zu Lehrer – stärker männlich aufgeladen sind, als es bei Wörtern wie jemand oder man der Fall ist, die keine feminine Entsprechung haben. Wird man also kontrastiv frau gegenübergestellt, verstärkt sich sogar dessen männliche Aufladung. Wer also mit man hadert, kann entweder auf ein allumfassendes wir zurückgreifen oder eine Passivkonstruktion wählen, wo es angemessen ist: Wir empfehlen die Verwendung von …/Empfohlen wird die Verwendung von …

Grundsätzlich gilt: Sprache ist ein sich ständig wandelndes System; welche Wörter Bestand haben und welche abgelehnt werden, entscheiden allein die Sprachnutzer/-innen, indem sie sie gebrauchen oder eben nicht. Was allerdings jeder – und jede – tun kann, ist, seinen – oder ihren – eigenen Sprachgebrauch kritisch zu beobachten und sich zu fragen, wen er oder sie selbst denn meint oder versteht, wenn man benutzt wird, und ob es nicht vielleicht eine treffendere oder lediglich neutralere Formulierung gäbe.