Ausgabe: Der Sprachdienst, 2/2016

Woher kommt die Redewendung den Löffel abgeben?

[F] Für sterben gibt es bekanntlich viele Umschreibungen. Eine ist den Löffel abgeben – aber was hat das mit sterben zu tun?

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[A] Er hat den Löffel abgegeben (hingelegt, weggeworfen, fallen gelassen) sagt man seit dem 19. Jh., wenn jemand gestorben ist. Laut Lutz Röhrich (»Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten«, Bd. 2, Freiburg, u. a. 1992) wird das Sterben in vielen mundartlichen Versionen mit dem Bild vom Weglegen des Löffels umschrieben. Der Löffel steht dabei für die lebensnotwendige Tätigkeit des Essens (vgl. »Duden. Redewendungen «, Bd. 11, Mannheim u. a. 2001) und war zugleich der individuelle und extrem kostbare Besitz des Essers.

Im Mittelalter hatte nämlich jeder seinen eigenen Löffel, der am Wandbrett seinen besonderen Platz fand. Wer den Löffel daran aufhängte, hatte seine Mahlzeit beendet. Derjenige, der den Löffel abgab/hinlegte/wegwarf/fallen ließ, schloss sich aus der Tischgemeinschaft aus (vgl. Röhrich 1992; Küpper, Heinz: »Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache«, Stuttgart 1982). Das Ende des Lebens wird somit verhüllend als Ende der Nahrungsaufnahme beschrieben.

Die Wahl des Verbs in der Phrase gibt zugleich Aufschluss über die Art des Sterbens: fallen lassen deutet beispielsweise darauf hin, dass der Tod überraschend und plötzlich kam; wegschmeißen beinhaltet, dass einem das Leben entweder lästig geworden ist und man sich befreit (›Selbstmord‹) oder aber, dass die Sache, für die man gestorben ist, den Einsatz des Lebens nicht lohnt (vgl. »Duden. Das große Buch der Zitate und Redewendungen«, Mannheim, u. a. 2007). Auch kann das Löffelabgeben als Zeichen des Machtverlusts interpretiert werden. Im Schwarzwald bekamen die Knechte von Bauern beispielsweise für die Dauer ihres Dienstes auf dem Hof einen Löffel geliehen, den sie wieder abgeben mussten, wenn sie weiterzogen. Und auch, wenn die Bäuerin in die Jahre gekommen ist und sich zur Ruhe setzte, wurden ihre Kochlöffel an die junge Bauersfrau, in der Regel die Schwiegertochter, abgegeben. So ist die alte Bäuerin also auch symbolisch von ihrer Position als Hofherrin zurückgetreten und hat diesen Platz der jüngeren Generation überlassen (vgl. Jochen Krause alias Dr. Wort: »Klappe zu, Affe tot. Woher unsere Redewendungen kommen«, Hamburg 2010).

Damit kann die Wendung den Löffel abgeben als Symbol des Machtverlustes, aber auch mit der Bedeutung ›sterben‹ als Antonym zu essen mit der Bedeutung ›leben‹ angesehen werden.