Ist ein blinder Passagier wirklich blind?
[F] Wieso spricht man bei einer Person, die für eine (Über-)Fahrt nicht gezahlt hat, eigentlich von einem blinden Passagier?
[A] Ein blinder Passagier ist ein Reisender, der sich versteckt hält, weil er das Fahrtgeld nicht gezahlt hat. Er wird als blind bezeichnet, da er nicht entdeckt werden will und sich somit gleichsam unsichtbar macht. Auch andere Dinge, die man nicht sehen kann, werden deshalb als blind bezeichnet, so etwa der blinde Sand und die blinden Klippen als Gefahrenstellen unterhalb der Wasseroberfläche oder die blinde Kappe als eine Tarnkappe. Blind trägt in diesen Wendungen also die Bedeutung ›heimlich, verborgen‹.
Der Ausdruck blinder Passagier kam bereits im 18. Jahrhundert auf und stammt damit aus einer Zeit, als man noch mit Postkutschen reiste. Als blinder Passagier wurde damals jemand bezeichnet, der nicht regulär an den Poststationen zu- oder ausstieg, wo die Reisenden in eine Liste eingetragen und kontrolliert wurden, sondern der erst unterwegs auf den Kutschbock stieg und vor der nächsten Poststation unauffällig wieder absprang. Andere Namen für den blinden Passagier waren damals auch blinder Postfahrer, blinder Postreisender, Postrutscher oder Postschleicher.
Als schließlich Bahn- und Schiffsverkehr zunahmen und es noch später auch Passagierflugzeuge gab, reiste man nicht mehr mit der Postkutsche. Dadurch wandelte sich auch die Bedeutung der hiermit verbundenen Wendung; heute spricht man nur noch im Zusammenhang mit Schiffs- oder Flugreisen von einem unberechtigten Mitreisenden als einem blinden Passagier. In Bus und Bahn dagegen nennt man einen solchen umgangssprachlich einen Schwarzfahrer, wobei schwarz hier ›illegal, gesetzeswidrig‹ bedeutet. (Quelle: Lutz Röhrich: »Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten«, Freiburg 1991; Muttersprache 1972, S. 167 f.)
Im Bemühen um die Vermeidung diskriminierenden Sprachgebrauchs könnten auch die hier behandelten Idiome von einigen Menschen als rassistisch oder behindertenfeindlich angesehen werden. Entsprechend sollten sie mit Bedacht verwendet werden. Lesen Sie hierzu auch unser Zeit-Wort Schwarz-weiß-Denken.