Woher stammt die Redewendung frech wie Oskar?
[F] Wie erklärt sich eigentlich die Redewendung frech wie Oskar? Im Internet bin ich auf mehrere unterschiedliche Erklärungen gestoßen. So wird u. a. ein Theaterkritiker Oskar Blumenthal erwähnt. Was meinen Sie?
[A] Lutz Röhrich nennt in seinem schönen Nachschlagewerk Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten (Freiburg 1991) diese Wendung und bemerkt, dass deren »Geschichte noch nicht geklärt« sei. Er nimmt an, dass frech wie Oskar »aus der Umgangssprache Berlins [stammt] und […] sich von dort aus weiter ausgebreitet« hat. »Es ist nicht bekannt, ob in diesem Oskar der Name einer bestimmten Person weiterlebt und wer diese war.« Vermutet wurde, dass der Theaterkritiker Oskar Blumenthal (1852 bis 1917), der scharfe, bissige, eben »freche« Kritiken veröffentlichte, Pate stand oder aber, wie Lutz Mackensen und Heinz Küpper (siehe Zitate, Redensarten, Sprichwörter, 1981, und Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache, Band 6, 1984) annahmen, der Leipziger Händler und Jahrmarktschreier Oskar Seifert. Zu Seifert teilt Küpper mit, dass er »wegen seiner derben Verkaufsweise allgemein bekannt war; sein Sohn, der 1937 starb, stand seinem gleichnahmigen Vater in nichts nach.« (Notizen im Internet, dass »der Spruch frech wie Oskar« geprägt worden sei von Oskar Seifert als »einem unerschrockenen Kämpfer für den gesunden Menschenverstand«, lassen wir auf sich beruhen.)
Die Redewendung ist relativ jung; sie wird schon in der 1. Ausgabe des Richtigen Berliners (Berlin 1882) verzeichnet; das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm und das Deutsche Sprichwörterlexikon von K. F. W. Wander kennen sie noch nicht. Küppers Zeitangabe »1870 ff.« hat darum viel für sich. Es gibt zahlreiche Vergleiche mit frech wie; Röhrich nennt frech wie Dreck (oder Gassendreck), frech wie Rotz am Ärmel, frech wie ein Rohrspatz (vgl. auch schimpfen wie ein Rohrspatz). In den Dialekten gibt es noch viele andere, und wir greifen nur wenige heraus: frech wie eine Elster (Brandenburg-Berlinisch), frech wie Grind, wie Galjeholz (Südhessisch), frech wie en Kesselflecker (Rheinisch, dort noch andere).
Gewiss ist, dass frech wie Oskar im Kern dem Berlinischen zuzurechnen ist; das Brandenburg-Berlinische Wörterbuch (II. Band, 1985) kennt die Wendung ab 1885; als literarischer Beleg wird Döblins Roman Berlin Alexanderplatz (1929) genannt. Auch Tucholsky verwendet sie 1932 (in der Weltbühne und in einem Brief an Carl von Ossietzky). Schon öfter ist die fragliche Wendung übrigens in Buchtiteln anspielungsreich gebraucht worden, z. B. in Franz Bauer, Frech wie Oskar. Eine Lausbubengeschichte (1942, 1952), Hans Bierbauer, Frech wie Oskar. Eine Auswahl von Oskarkarikaturen aus der Berliner Morgenpost (1954, 1968) oder in Frech wie Oskar – Lafontaine-Witze, gesammelt von Wolf von Henschelsberg (1990).
In einigen Dialekten kommt nun auch stolz wie Oskar vor (z. B. Pfälzisch, Rheinisch) sowie dumm wie Oskar (Rheinisch, dort auch er singt wie Oskar = schlecht). Eine Übertragung – oder will man womöglich hier eine zweite oder gar dritte (und vierte) historische Person mit jenem Vornamen ausfindig machen? Das Preußische Wörterbuch (1992) kennt überdies neben frech bzw. driest [dreist] wie Oskar die Wendungen stolz wie Oskar und de glänzt wie Oskar – was unsere Vermutung stützt, dass Oskar sich nicht auf eine bestimmte Persönlichkeit bezieht, sondern als Personenbezeichnung im allgemeinen Sinne fungiert. Spielen doch oft populäre Eigennamen in festen Wendungen eine Rolle, z. B. dumme Grete, flotter Heinrich/flotter Otto, müder Heinrich, strammer Maxe, feiner Otto, großer Otto oder Quasselfritze, Bummelliese, Minna (grüne Minna), Goldmarie, Heulsuse … Und Oskar war ja im späten 19. Jahrhundert und um 1900 ein sehr verbreiteter männlicher Name – so wie er es auch heute wieder ist, ganz besonders in den östlichen Bundesländern (vgl. z. B. unsere Liste der beliebtesten Vornamen 2016).
Einzubeziehen ist noch ein Aspekt, auf den zuerst wohl Siegmund A. Wolf in seinem Wörterbuch des Rotwelschen (1956) hingewiesen hat. Diese »Bezeichnung für einen unverschämt frechen Menschen« sei eigentlich eine »Tautologie, denn ein Ossoker ist ein ›Frecher‹: jidd. ossok frech, verhärtet.« Diese Lesart von frech wie Oskar – deren Bestätigung allerdings noch aussteht – wurde hie und da aufgegriffen, so von Joachim Wiese in seinem Kleinen Brandenburg-Berliner Wörterbuch (1976). Das Lexikon der populären Sprachirrtümer von Krämer/Sauer (5. Auflage, 2004) bietet sie schlankweg als einzige Erklärung an. Lutz Röhrich erwähnt sie ebenfalls – er legt sich allerdings nicht fest. Dies scheint uns angesichts der Quellenlage auch angemessen, wobei wir allerdings einen Bezug zu einer historisch nachweisbaren Person à la Blumenthal und Seifert eher ausschließen möchten.