Meldung vom 12. Mai 2020

coronafrei, vulnerabel und kontaktbeschränkt: die aktuellen Covid-19-Adjektive

Teil 11 unserer sprachlichen Betrachtungen zum Coronavirus

Coronabedingt kontaktbeschränkt. CC-Lizenz

Über neue Wortbildungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie haben wir in unserer Corona-Serie schon viel geschrieben. Dabei standen aber meist Substantive im Mittelpunkt. In dieser Folge der sprachlichen Betrachtungen zum Corona-Virus geht es daher mal um eine andere Wortart: die Adjektive.

Adjektive machen am Wortschatz des Deutschen einen eher kleinen Anteil von nur rund 15 % aus. Aber natürlich können Adjektive (wie auch Substantive) fast beliebig neu gebildet werden und sie werden als Fremd- und Lehnwörter auch aus anderen Sprachen ins Deutsche übernommen. Da die Covid-19-Pandemie viele neue Themen geschaffen und Diskurse aufgeworfen hat, lohnt sich in diesem Zusammenhang also auch ein Blick auf neue und vielleicht einige bekannte Adjektive.

Gibt es schon neue Corona-Adjektive?

Adjektive, in denen das Substantiv Corona als Bestandteil auftritt, sind bisher eher selten. Als sogenannte Komposita aus Corona und einem bestehenden Adjektiv konnten wir bisher zum Beispiel coronatauglich (Süddeutsche Zeitung, 18.04.2020), coronafrei (spiegel.de, 22.04.2020), coronageplagt (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 15.03.2020) und coronabedingt (suedkurier.de, 11.04.2020) entdecken. Diese Formen treten auch mit Bindestrichschreibung auf, also etwa als Corona-frei oder Corona-bedingt. Achtung: Das vorangehende Substantiv muss dann tatsächlich großgeschrieben werden. Das Adjektiv coronarechtlich (Morgenmagazin, 30.04.2020) kursiert zumindest bereits in der gesprochenen Sprache.

Adjektive können auch mithilfe eines Suffixes gebildet werden. Ein Suffix ist ein Wortbestandteil, der an das Ende eines anderen Wortes tritt und so beispielsweise aus einem Substantiv ein Adjektiv ableitet (z. B. Stein + ig zu steinig). Auf diese Weise gebildete Formen wie coronahaft oder coronamäßig, die auch tatsächlich im Zusammenhang mit Covid-19 gebraucht werden, finden sich vereinzelt in Blogs oder in den sozialen Netzwerken; die vergleichbaren Wortneubildungen coronös und coronig (heute-show, 06.03.2020) stammen aus einem eher satirischen Kontext. Auch das Adjektiv coronar (Süddeutsche Zeitung, 11.04.2020) scheint tatsächlich Verbreitung zu finden. 

Im Deutschen gibt es allerdings bereits ein genau gleichlautendes Wort, nämlich koronar. Dieses Adjektiv gehört in die medizinische Fachsprache und bedeutet ›die Herzkranzgefäße betreffend‹; diese Blutgefäße werden auch als Koronargefäße bezeichnet. Die Form coronar wird hingegen verwendet, wenn etwas im Zusammenhang mit dem Corona-Virus steht (z. B. ›coronare Notzeiten‹) oder etwas mit dem Leben während der Corona-Pandemie vergleichbar ist (z. B. ein ›coronares Theaterstück‹, in dem eine Gruppe von Personen in Isolation leben muss).

exponentiellviruzid und vulnerabel: Fremdwort-Adjektive

Ausdrücke aus der medizinischen Fachsprache sind im Diskurs um die Covid-19-Pandemie ohnehin sehr präsent. Auch einige fachsprachliche Adjektive, die in der Alltagssprache sonst selten sind, treten nun vermehrt auf: asymptomatischexponentiellviruzid oder vulnerabel. Für diese Fach- und Fremdwörter finden sich im Deutschen meist nur längere Ausdrücke, die ihre Bedeutung treffend umschreiben. Der Ausdruck asymptomatisch beispielsweise wird verwendet im Sinne von ›ohne Symptome‹ oder ›nicht mit den erwarteten Symptomen‹, viruzidbedeutet ›Viren abtötend‹. Die Kürze der entlehnten Adjektive ist ein möglicher Grund, warum auch in den Medien häufig auf diese etablierten Fachwörter zurückgegriffen wird.

Neue alte Adjektive: einsam, systemrelevantkontaktlos

Auch einige Adjektive, die keiner Fachsprache angehören, rücken derzeit stärker in das sprachliche Bewusstsein: isolierteinsam (aber auch: gemeinsam), neuartig und systemrelevant, schrittweise, beherrschbar oder zumutbar. Das Adjektiv kontaktlos hat durch die Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie eine Bedeutungserweiterung erfahren. Bisher wurde es vor allem im technischen Sinne z. B. im Zusammenhang mit dem kontaktlosen Bezahlen verwendet; durch die verbreiteten Abstandsregeln kommen nun weitere, auf Personen bezogene Lesarten hinzu: Pakete werden kontaktlos geliefert und die Beratung im Möbelfachgeschäft erfolgt kontaktlos über das Internet. Wer in Quarantäne leben muss, ist selbst kontaktlos, viele andere sind zumindest kontaktbeschränkt (heute journal, 08.04.2020). Das kontaktlose Bezahlen wird übrigens weiterhin empfohlen, um Ansteckungen mit Covid-19 zu verhindern.

verschoben und abgesagt: Adjektive oder Verben?

Eine Form wie abgesagt kann als Partizip II (auch Partizip Perfekt) des Verbs absagen auftreten. Man verwendet das Partizip II unter anderem zusammen mit einem Hilfsverb (haben oder sein), um die Zeitform Perfekt zu bilden: ›Wir haben die Veranstaltung abgesagt‹. Dieselbe Form abgesagt kann aber auch in einer Position auftreten, die typisch für Adjektive ist, nämlich zwischen Artikel und Substantiv: ›Die abgesagte Veranstaltung wird nachgeholt‹. Da abgesagt in diesem Fall sogar dieselbe Endung trägt wie ein Adjektiv, wird die Form auch als Adjektiv klassifiziert. 

Wir sind gespannt, welche neugebildeten Adjektive diese coronaren Zeiten noch hervorbringen werden und welche altbekannten Wörter in Zukunft vielleicht in ganz neuen Zusammenhängen auftreten. Haben Sie einen Favoriten unter den Corona-Adjektiven, der uns noch nicht aufgefallen ist? Dann schicken Sie uns Ihr Fundstück per E-Mail an: wort-des-jahres@gfds.de

Im nächsten Teil unserer Corona-Serie blicken wir auf größere Wortgruppen und ganze Wendungen, die im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie stehen; bis dahin: Bleiben Sie gesund!

Zum Weiterlesen

Teil 1: Das haben Covid-19 und die Sonnenfinsternis gemeinsam
Teil 2: Bindestriche, coronamäßige Wortbildungen und jede Menge Absagen
Teil 3: Sprachliche Zweifelsfälle rund um Covid-19: Der Virus gehört in »Kwarantäne«!
Teil 4: Pandemie, Schwarzer Tod und andere Plagen: Eine kleine Begriffsgeschichte
Teil 5: Der Hamster in Zeiten der Krise
Teil 6: Korona … heute einmal (fast) ohne Virus
Teil 7: »Wir möchten unser Kind Corona nennen« … Corona im Namengut
Teil 8: Corona in der Welt: Ausgewählte Wörter in einzelnen Sprachen und Übersetzungsvarianten
Teil 9: Social Distancing, Hot-Spot und Triage: Fremdwörter im Zusammenhang mit Covid-19
Teil 10: Ebola-Virus, Spanische Grippe und Covid-19: Wonach werden Krankheiten, Erreger und Pandemien benannt?
Teil 12: In Zeiten von Corona: Maske auf! Ausdrücke und Wendungen im Zusammenhang mit Covid-19
Teil 13: 1,5 bis haushaltsübliche Menge: Die etwas anderen Corona-Zahlen
Teil 14: Corona-Texte: Anleitungen, Anträge, Bescheinigungen, Verordnungen und andere
Teil 15: Virus-Kampf, Notabitur und neue Helden: Kriegsmetaphern und Krisen-Begriffe im Diskurs um die Covid-19-Pandemie
Teil 13: 1,5 bis haushaltsübliche Menge: Die etwas anderen Corona-Zahlen
Teil 14: Corona-Texte: Anleitungen, Anträge, Bescheinigungen, Verordnungen und andere
Teil 15: Virus-Kampf, Notabitur und neue Helden: Kriegsmetaphern und Krisen-Begriffe im Diskurs um die Covid-19-Pandemie
Teil 16: Lachen ist gesund – bleiben Sie schön negativ!