Meldung vom 1. April 2020

Korona … heute einmal (fast) ohne Virus

Teil 6 unserer sprachlichen Corona-Betrachtungen

CC-Lizenz

Coronaviren wie SARS-CoV-2 tragen ihren Namen wegen ihres charakteristischen Aussehens: Unter einem Elektronenmikroskop betrachtet, erwecken Strukturen auf der Hülle der Viruspartikel den Eindruck, diese seien von einem Strahlenkranz umgeben, von einer Korona. Woher stammt dieses Wort und wo – außer im Zusammenhang mit Viren – begegnet es uns noch? Diese Fragen klären wir in einer weiteren Folge unserer sprachlichen Betrachtungen zum Corona-Virus.

Die Wurzeln des Wortes Korona lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen: Der griechische Ausdruck kor bedeutet ›Gekrümmtes‹, das daraus abgeleitete lateinische corōna bezeichnet ringförmige Dinge: einen Kranz oder eine Krone, den ›Zuschauerkreis‹ und ein astronomisches Phänomen, den Strahlenkranz der Sonne.

Korona als Lehnwort im Deutschen

Mit diesen und ähnlichen Bedeutungen wurde das Wort in zahlreiche andere Sprachen entlehnt. Im Deutschen lässt sich das Wort Krone auf lat. corōna zurückführen, ebenso wie das englische crown; die Krönung wird im Englischen als coronation bezeichnet. Der Ausdruck Korona selbst – übrigens ein Femininum, es heißt also die Korona – findet im Deutschen vor allem Verwendung im Bereich der Astronomie und der Physik. Aber auch als Bezeichnung für eine Gruppe oder einen Kreis von Menschen ist Korona noch in deutschsprachigen Wörterbüchern verzeichnet.

Die Bildung solcher Koronen (so lautet der korrekte Plural) mit mehr als zwei Personen ist derzeit natürlich streng untersagt, aber die Pluralform des Wortes auf –en und die Schreibung mit dem Buchstaben <k> deuten darauf hin, dass das Wort Korona mit seinen lateinischen Wurzeln gut ins Deutsche integriert ist. Der en-Plural tritt vor allem bei heimischen deutschen Wörtern auf und die Verschriftlichung des Lautes [k] mit dem Buchstaben <k> entspricht der deutschen Buchstaben-Laut-Zuordnung. Andere entlehnte Wörter – z. B. engl. club oder frz. croissant – treten in den Schreibweisen ihrer Herkunftssprachen auf oder unterscheiden sich, je nach Schreibweise, in ihrer Bedeutung: Während Klub im Deutschen eher eine Vereinigung oder einen Verein bezeichnet, meint Club zumeist einen Veranstaltungsort. Obwohl sich bei dem Ausdruck Korona die Schreibung mit <k> etabliert hat, dominiert beim Wort Coronavirus im Deutschen die Schreibung mit <c>. Vermutlich orientieren sich deutschsprachige Schreiberinnen und Schreiber an der wissenschaftlichen Bezeichnung für die Virusgruppe der coronaviridae und an der international verbreiteten englischen Schreibweise.

Diese wird jedoch nicht per se in alle Sprachen übernommen: Im Türkischen beispielsweise lautet die allgemeinsprachliche Bezeichnung für SARS-CoV-2 koronavirüs. Die Schreibung mit <c> ist dadurch blockiert, dass dem Buchstaben im Türkischen ein strikter eigener Lautwert zugeordnet ist: Ein <c> wird als die Kombination der Laute [d] und [ʒ] ausgesprochen, die im Deutschen beispielsweise am Anfang des Wortes Dschungel auftritt. Auch andere Lehnwörter, die in ihrer Ursprungssprache mit <c> geschrieben werden – beispielsweise engl. cocktail oder frz. crème –, werden ins Türkische mit <k>-Schreibung übernommen, als kokteyl und krem. Wie sich die Covid-19-Pandemie im Wortschatz anderer Sprachen niederschlägt, werden wir im weiteren Verlauf unserer Corona-Reihe noch einmal ausführlich betrachten.

Korona und Corona … ohne Virus

Aber zurück zur Korona im Deutschen. Entsprechend dem lateinischen Ursprung bezeichnet der Ausdruck auch im Deutschen astronomische Phänomene: Bei der Korona der Sonne handelt es sich um eine extrem heiße Plasmaschicht in der Atmosphäre des Sterns. Sichtbar wird sie bei einer totalen Sonnenfinsternis als Strahlenkranz, der die abgedunkelte Sonnenscheibe umgibt. Auch unsere Erde hat übrigens eine Korona; die sogenannte Geokorona beginnt etwa 1000 Kilometer über der Erdoberfläche, sie ist Teil der sogenannten Exosphäre und bildet den Übergang der Erdatmosphäre zum Weltraum. Schließlich wird ein spezielles optisches Phänomen als Korona bezeichnet: der leuchtende Hof, der bei bestimmten Wetterlagen den Mond umgibt.

Die Arterien und Venen, die das Herz kranzförmig umgeben, werden als Koronargefäße bezeichnet, auch in diesem Ausdruck zeigt sich der direkte Bezug zum lateinischen corōna; das Adjektiv koronar lässt sich als ›die Herzkranzgefäße betreffend‹ übersetzen. Das Wort koronal hingegen entstammt der zahnmedizinischen Fachsprache und bezieht sich auf die Zahnkrone.

Aufgrund ihrer Bedeutung – ob im Sinne von ›Krone‹ oder mit Bezug zur strahlenden Sonne – dürften die Wörter Corona und Korona bisher eher positive Assoziationen geweckt haben. Es ist daher wenig verwunderlich, dass die Ausdrücke auch als Marken- und Produktnamen Verwendung finden. Derzeit müssen vor allem die Hersteller international bekannter Biermarken nicht nur etliche Corona-Witze über sich ergehen lassen, sondern wegen geschlossener Bars und Restaurants in zahlreichen Ländern auch Umsatzeinbußen verkraften. Auch ein beliebter ägyptischer Schokoladenhersteller trägt den Namen Corona. Wie die Zeitung Arab News berichtet, konnte der Absatz von Schokoladenriegeln dank des schwarzen Humors der Kundschaft seit Beginn der Covid-19-Pandemie aber sogar gesteigert werden. Auch manche Besitzerinnen und Besitzer eines Elektrogerätes der Marke Korona präsentieren ihre Toaster und Raclette-Grills derzeit gerne mit einem Augenzwinkern in den sozialen Netzwerken. Der Ausdruck Corona bezeichnet zudem eine bestimmte Art (ein sogenanntes Format) von Zigarren; das Rauchen war allerdings auch schon vor der Corona-Krise schädlich und soll sogar die Ansteckung mit Covid-19 begünstigen.

Ob sich Korona und Corona durch die Virus-Pandemie tatsächlich zu negativ konnotierten Ausdrücken wandeln, wird sich zeigen. Wünschenswert wäre es aber nicht, denn Korona und Corona treten nicht nur als Produktnamen, sondern auch als weibliche Vornamen auf! Was zuerst da war, Bier und Zigarren oder der Vorname, das klären wir in der nächsten Folge unserer sprachlichen Betrachtungen zum Corona-Virus.

Zum Weiterlesen

Teil 1: Das haben Covid-19 und die Sonnenfinsternis gemeinsam
Teil 2: Bindestriche, coronamäßige Wortbildungen und jede Menge Absagen
Teil 3: Sprachliche Zweifelsfälle rund um Covid-19: Der Virus gehört in »Kwarantäne«!
Teil 4: Pandemie, Schwarzer Tod und andere Plagen: Eine kleine Begriffsgeschichte
Teil 5: Der Hamster in Zeiten der Krise
Teil 7: »Wir möchten unser Kind Corona nennen« … Corona im Namengut
Teil 8: Corona in der Welt: Ausgewählte Wörter in einzelnen Sprachen und Übersetzungsvarianten
Teil 9: Social Distancing, Hot-Spot und Triage: Fremdwörter im Zusammenhang mit Covid-19
Teil 10: Ebola-Virus, Spanische Grippe und Covid-19: Wonach werden Krankheiten, Erreger und Pandemien benannt?
Teil 11: coronafrei, vulnerabel und kontaktbeschränkt: die aktuellen Covid-19-Adjektive
Teil 12: In Zeiten von Corona: Maske auf! Ausdrücke und Wendungen im Zusammenhang mit Covid-19
Teil 13: 1,5 bis haushaltsübliche Menge: Die etwas anderen Corona-Zahlen
Teil 14: Corona-Texte: Anleitungen, Anträge, Bescheinigungen, Verordnungen und andere
Teil 15: Virus-Kampf, Notabitur und neue Helden: Kriegsmetaphern und Krisen-Begriffe im Diskurs um die Covid-19-Pandemie
Teil 13: 1,5 bis haushaltsübliche Menge: Die etwas anderen Corona-Zahlen
Teil 14: Corona-Texte: Anleitungen, Anträge, Bescheinigungen, Verordnungen und andere
Teil 15: Virus-Kampf, Notabitur und neue Helden: Kriegsmetaphern und Krisen-Begriffe im Diskurs um die Covid-19-Pandemie
Teil 16: Lachen ist gesund – bleiben Sie schön negativ!