Lachen ist gesund – bleiben Sie schön negativ!
Teil 16 der sprachlichen Corona-Betrachtungen
Mit einem Augenzwinkern kommt unsere Corona-Serie zu einem vorläufigen Ende. Wir blicken zurück und voraus auf die Corona-Sprache.
14 Wochen Corona-Sprache
Vor fast genau drei Monaten, am 13. März 2020, haben wir unsere Corona-Serie mit sprachlichen Betrachtungen zur Covid-19-Pandemie begonnen. Das war der Tag, ab dem in Deutschland Großveranstaltungen offiziell verboten und die Schließungen von Schulen und Kindertagesstätten angekündigt wurden. Wer aus dem Ausland nach Deutschland kam, sollte sich ab sofort sicherheitshalber in Quarantäne begeben, es folgte die Schließung von Restaurants und Geschäften. Der Shutdown begann.
Seitdem hat uns SARS-CoV-2 – oder kurz: Corona – fest im Griff, auch in sprachlicher Hinsicht, und wir haben uns in den vergangenen Wochen mit zahlreichen Aspekten der Corona-Sprache befasst: mit ebensolchen Anglizismen wie Shutdown und Home-Schooling, mit der Bedeutung und Herkunft von Ausdrücken wie Quarantäne oder Triage und natürlich mit den Wörtern Corona (bzw. Korona) und Covid-19 selbst. Wir haben uns angesehen, nach welchen Mustern neue Corona–Wörter gebildet werden und welche altbekannten Ausdrücke jetzt, im Zusammenhang mit der Pandemie, mit einer neuen Bedeutung auftreten. Auch der Vorname Corona und die vielfältigen Bezeichnungen für Krankheiten haben schon eine Rolle gespielt. Und: Wir haben versucht, einige sprachliche Zweifelsfälle aufzuklären (ja, in Fach- und Alltagssprache existieren beide Formen: das Virus und der Virus). Die Links zu allen Beiträgen in unserer Corona-Serie finden Sie am Ende dieses Textes.
Lachen ist gesund
Natürlich sind Pandemie und Grammatik ernste Themen, aber in Krisen helfen etwas Humor und Sprachwitz eben manchmal doch am besten, zum Beispiel gegen Corona-Blues und Lagerkoller. Das zeigt sich in zahlreichen coronösen Wortbildungen und Wortspielereien, die wir beim Durchforsten von Zeitungen, im Internet oder im Sprachalltag aufgelesen haben. Hier einige Beispiele:1
In der Corontäne fühlten sich manche schon Ende März in Frühlingshaft, sie wurden von der Kummerpest oder – schlimmer noch – den Aggroviren befallen. Über die Tage und Wochen wuchsen so im Kammer-Office die Krisen-Frisen. Wer sich nach draußen wagte, befolgte hoffentlich die Hust-und-Nies-Etikette – selten hat die Ellenbeuge so viel mediale Aufmerksamkeit erfahren. Statt mit Handschlag und Umarmung begegnete man sich nun hygienisch korrekt mit Corona-Winke oder Fuß-Gruß, die Mund-Nasen-Bedeckung ist inzwischen zum Mask-have geworden. Wer sich den Schnutenpulli nicht kaufen möchte, macht es DIY (engl. do it yourself) und näht sich eine Behelfs- oder Community-Maske. Ausreichender Abstand ist natürlich weiterhin das oberste Gebot und Slogans wie Bring Corona nicht zu Oma! klingen zwar lustig, haben aber einen ernsten Hintergrund. Sogenannte vulnerable Personen sind weiterhin am stärksten von Covid-19 bedroht und leiden wie viele andere unter der Kontaktlosigkeit. Auf der anderen Seite empfanden manche die Corona-Stille als geradezu erholsam, konnten Freizeitstress reduzieren, das Arbeiten im Heimbüro sogar etwas genießen und waren nicht ganz so unglücklich darüber, dass geplante Familienfeste ausfallen mussten. Das Stichwort lautet eben auch: Entschleunigung.
Und falls Ihnen dabei etwas mehr Zeit zum Lesen bleibt: Zum gerade allgegenwärtigen Ausdruck Home-Office (und seinen Entsprechungen im Deutschen) haben wir in unserer Rubrik Zeit-Wörter einen ausführlichen Beitrag veröffentlicht.
Die ärgsten Lebensbeschränkungen sind inzwischen wieder aufgehoben, die Gesellschaft macht die ersten Lockerungsübungen. Großveranstaltungen im Sport werden aber wohl noch einige Zeit ohne Zuschauerinnen und Zuschauer auskommen und als Geisterspiele stattfinden müssen. Vielleicht gibt es in der Fußball-Bundesliga zum ersten Mal – coronabedingt – einen Geistermeister. Die üblichen 80 Millionen Bundestrainerinnen und -trainer betätigen sich derweil als Wirrologen und wissen zur Abwechslung mal grundsätzlich alles besser als Bundes-Virologe Jogi – nein: Christian Drosten.
Je länger der coronare Ausnahmezustand und die Infodemie mit zahllosen Falsch- und Verschwörungsmeldungen dauerten, desto lauter wurden die Kritikerinnen und Kritiker der Corona-Politik von Bund und Ländern. Beherrschten heute vor einem Jahr noch die Klima-Skeptiker die Schlagzeilen, tauchten nun die Corona-Leugner (manche von ihnen mit Alu-Hut) auf sogenannten Hygiene-Demos auf.
Die, die mit am stärksten von den Maßnahmen gegen die Pandemie betroffen sind, zeigen aber oft den feinsten Sprachhumor. Der offenbart sich unter anderem in den zahlreichen Corona-Texten, die zum Beispiel auf die aktuellen Hygiene-Konzepte hinweisen. Im Einzelhandel gilt zum Beispiel: Sie sind mit Abstand die besten Kunden! Zum Konsum gehört auch das Reisen. Zwar werden auch Reisebeschränkungen nun wieder gelockert; die Menschen haben sich dennoch darauf eingestellt, dass der Urlaub in diesem Jahr anders aussehen wird. Statt Fernreise im Flugzeug an die Costa Corona lieber Sonnenbaden auf Balkonien (engl. staycation). Das Klima und die Umwelt freut’s.
Expertinnen und Experten nehmen an: Das Virus Sars-CoV-2 ist gekommen, um zu bleiben. Covid-19 wird uns also noch lange beschäftigen und es bleibt spannend abzuwarten, wie stark und wie nachhaltig die Krankheit unsere Gesellschaft verändern wird. Wird es ein nach Corona geben? Wird tatsächlich alles gut? Mehr darüber, wie sich die Covid-19-Pandemie auf unsere Sprache ausgewirkt hat, werden wir jedenfalls in den kommenden Monaten erfahren, wenn die ersten sprachwissenschaftlichen Projekte zu diesem Thema ihre Ergebnisse präsentieren. Die GfdS hält Sie natürlich auf dem Laufenden, auch wenn unsere Corona-Serie hier ein vorläufiges Ende findet.
Die Covid-19-Pandemie hat eine Verabschiedungsformel äußerst populär gemacht: Bleiben Sie gesund! Mit einem Augenzwinkern und dem Blick auf die Infektionszahlen sagen wir: Bleiben Sie schön negativ!
Zum Weiterlesen
Teil 1: Das haben Covid-19 und die Sonnenfinsternis gemeinsam
Teil 2: Bindestriche, coronamäßige Wortbildungen und jede Menge Absagen
Teil 3: Sprachliche Zweifelsfälle rund um Covid-19: Der Virus gehört in »Kwarantäne«!
Teil 4: Pandemie, Schwarzer Tod und andere Plagen: Eine kleine Begriffsgeschichte
Teil 5: Der Hamster in Zeiten der Krise
Teil 6: Korona … heute einmal (fast) ohne Virus
Teil 7: »Wir möchten unser Kind Corona nennen« … Corona im Namengut
Teil 8: Corona in der Welt: Ausgewählte Wörter in einzelnen Sprachen und Übersetzungsvarianten
Teil 9: Social Distancing, Hot-Spot und Triage: Fremdwörter im Zusammenhang mit Covid-19
Teil 10: Ebola-Virus, Spanische Grippe und Covid-19: Wonach werden Krankheiten, Erreger und Pandemien benannt?
Teil 11: coronafrei, vulnerabel und kontaktbeschränkt: die aktuellen Covid-19-Adjektive
Teil 12: In Zeiten von Corona: Maske auf! Ausdrücke und Wendungen im Zusammenhang mit Covid-19
Teil 13: 1,5 bis haushaltsübliche Menge: Die etwas anderen Corona-Zahlen
Teil 14: Corona-Texte: Anleitungen, Anträge, Bescheinigungen, Verordnungen und andere
Teil 15: Virus-Kampf, Notabitur und neue Helden: Kriegsmetaphern und Krisen-Begriffe im Diskurs um die Covid-19-Pandemie
1 Für gewöhnlich nennen wir hinter den Sprachbeispielen in unseren Texten die genaue Quelle. In dieser Beispielsammlung würde es dann jedoch von Verweisen nur so wimmeln. Daher verzichten wir ausnahmsweise auf die Nennung. Alle kursiv gesetzten Ausdrücke im folgenden Text sind Tageszeitungen oder Internetseiten entnommen oder es handelt sich um Gesehenes oder Gehörtes, das unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammengetragen habe.
Erschließt sich Ihnen das ein oder andere Wortspiel nicht? Oder haben sie selbst witzige Corona-Wörter gesammelt? Die GfdS hilft gern weiter und natürlich freuen wir uns wie immer über Ihre Einsendungen unter sprachberatung@gfds.de.